Rotwein stärkt das Herz? Greifswalder Studie über Alkohol-Mythos
Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Greifswald hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Menschen, die maßvoll Alkohol trinken, tatsächlich eine längere Lebenserwartung haben als ihre abstinenten Zeitgenossen.
"Ein Schlückchen in Ehren, kann niemand verwehren." oder "Ein Gläschen Rotwein stärkt das Herz." - diese und ähnliche Aussagen hat jeder schon mal gehört. Professor Ulrich John von der Universitätsmedizin Greifswald und seine Kollegen räumen mit dem Mythos auf.
Alkohol hat keine gesundheitsfördernden Effekte
Viel besungen, in der Werbung als Spaßbringer in Szene gesetzt, als gesundheitsfördernd bezeichnet – Alkohol. Jahrzehntelang hat sich der Mythos über den gesunden Schluck Alkohol in den Köpfen verankert. Doch eine neue Studie aus Greifswald räumt nun mit dem Irrglauben auf. "Bisherige Studien legten nahe, dass Menschen, die geringfügige bis moderate Mengen trinken, länger leben. Dies führte lange zur Schlussfolgerung, mäßiger Alkoholkonsum könne gesundheitsfördernde Effekte haben, insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System. Dies konnten wir nun klar widerlegen“, sagt der Leiter der Studie Professor Ulrich John aus der Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald.
"Schlückchen in Ehren" verlängert nicht das Leben
Untersucht wurde das Material der eigenen Basisstudie, die vor gut 20 Jahren mit 4.028 Erwachsenen erstellt wurde. Durch ein international standardisiertes Interview konnten auch einzelne psychiatrische Erkrankungen festgestellt werden. Ebenso wurden frühere Alkohol- und Drogenerkrankungen sowie der Konsum von Alkohol und Nikotin erfasst. Und das unterscheidet die Greifswalder Studie von anderen. Denn dass sich der Mythos so lange halten konnte, sei ein hausgemachtes Problem, sagt John. Wissenschaftler hätten nicht genau hingeschaut, welchen Hintergrund die befragten Personen haben. "Die Menschen neigen bei solchen Befragungen dazu, ihren eigenen Konsum herunterzuspielen. Wir haben uns mit unserem Interview vorsichtig genähert und konnten dadurch valide Angaben aufzeichnen." Das ausgewertete Material zeigt, dass die kürzere Lebenserwartung alkoholabstinent lebender Menschen auf Faktoren wie frühere Alkohol- oder Drogenprobleme, tägliches Tabakrauchen und eine schlechtere selbst eingeschätzte Gesundheit zurückzuführen ist.
Der eigene Alkoholkonsum wird beschönigt
Es gibt noch einen weiteren Grund, wie sich der Mythos halten konnte: soziale Normen. Wer auf einer Feier keinen Alkohol trinken möchte, wird schnell mit der Frage nach dem Warum konfrontiert. "Deutschland ist ein sogenanntes Hochkonsumland", sagt John. Im Schnitt trinkt jeder ab dem 15. Lebensjahr 10,7 Liter reinen Alkohol pro Jahr. Der Glaube an den "gesunden Schluck" wird deswegen oftmals herangezogen, um den eigenen Konsum zu beschönigen. Doch das sei gefährlich, sagt John: "Alkohol ist ein Zell- und Nervengift und kann bereits in geringen Mengen über längere Zeit zu Schäden führen. Denn Acetaldehyd, ein Abbauprodukt von Alkohol, ist nachweislich krebserregend. Am gesündesten ist es, gar keinen Alkohol zu trinken."
