Der lange Arm des US-Senats reicht bis Sassnitz
Von Martin Möller, NDR Nordmagazin
Der Brief aus Washington kam für den Hafen Mukran nicht überraschend, der Tonfall ist es schon. Die republikanischen Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson drohen und schüchtern ein. Dem Hafen Sassnitz und seinen beiden Gesellschaftern - der Stadt und dem Land Mecklenburg-Vorpommern - sowie anderen beteiligten Firmen, wird die Zerstörung ihrer Geschäftsgrundlagen angekündigt, sollten sie beim Weiterbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 helfen. Als rechtliche Grundlage verweisen die Senatoren auf bestehende US-Sanktionsgesetze gegen Nord Stream 2. Diese würden ermöglichen, dass Vorstandsmitgliedern, leitenden Angestellten die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt und jegliches Eigentum oder Interesse an Eigentum, auf das die USA Zugriff haben, eingefroren wird.
Bundesweite Empörung
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies die Drohungen der US-Senatoren scharf zurück. Dem NDR Nordmagazin sagte sie: "Ich kann nicht erkennen, dass Amerika und schon gar nicht der amerikanische Präsident uns hier irgendwie reinreden kann. Deswegen sind diese Drohungen inakzeptabel. Wir lassen uns davon gar nicht einschüchtern. Wir halten an diesem Projekt fest. Und ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie das jetzt auch auf internationaler Ebene zum Thema macht." Durch die deutsche Politik läuft eine Welle der Empörung. Ob sie Folgen hat, bleibt allerdings ungewiss. Beispiel Iran: Nach der einseitigen Kündigung des Atomkontrollabkommens durch die USA und dem anschließenden Boykott ist der Handel zwischen Deutschland und dem Iran komplett zusammengebrochen, allen Protesten höchster EU-Repräsentanten und des deutschen Außenministers zum Trotz. Der Arm des US-Senats scheint länger, als es vielen hierzulande lieb ist - auch im Falle vom Nord Stream 2.
An der Kette
Immerhin ist es schon über ein halbes Jahr her, seit die Schweizer Firma Allseas ihr Verlegeschiff "Pioneering Spirit" abgezogen hat, unmittelbar nachdem US-Präsident Donald Trump das Gesetz "Zum Schutz von Europas Energiesicherheit" unterzeichnet hatte. Als Ersatz holten die Russen die "Akademik Tscherski" aus dem Japanischen Meer - eine Reise um die halbe Welt. Seit über zwei Monaten dümpelt der russische Rohrleger im Hafen von Mukran auf der Insel Rügen. Denn hier lagern die ummantelten Röhren für die noch zu bauenden 150 Kilometer von Nord Stream 2. Ein zweites russisches Spezialschiff, die "Fortuna", wartet im Hafen Rostock auf seinen Einsatz.
Sache von Spezialisten
Zwischenzeitlich hat auch das Wohnschiff "Rossini" im Sassnitzer Stadthafen festgemacht, eine antriebslose Barge mit aufmontieren Wohncontainern. Von dort werden regelmäßig Arbeiter zur "Akademik Tscherski" gebracht. Das Schiff muss erst noch auf die Verlegearbeiten vorbereitet werden. Pipelinebau in großen Wassertiefen beherrschen nur ganz wenige Firmen auf der Welt. Das heißt: selbst wenn die Russen mittlerweile über die entsprechenden Spezialschiffe verfügen, geht es nicht ganz ohne ausländische Spezialisten. Und die sind rund um den Globus im Einsatz. Auch das macht die amerikanischen Sanktionen so effektiv. Übrigens: das Verlegeschiff "Pioneering Spirit", mit 477 Metern größtes Konstruktionsschiff der Welt, arbeitet mittlerweile im Thyra-Erdgasfeld in der dänischen Nordsee.
