Kommentar: Katholische Kirche am Rande der Bedeutungslosigkeit
Die katholische Kirche steckt in einer schweren Krise. Das Missbrauchsgutachten in München hat gezeigt, dass auch der spätere Papst die Verbrechen nicht angemessen verfolgt hat. Gleichzeitig haben mehr als 100 schwule und lesbische Katholikinnen und Katholiken öffentlich gemacht, wie die Kirche mit ihnen umgeht. Es ist ein Wendepunkt für die katholische Kirche - auch in Hamburg. Daniel Kaiser kommentiert.
Die Menschen fliehen in Scharen aus der katholischen Kirche. Bei den Austrittsstellen in Eimsbüttel und Wandsbek stehen die Telefone nicht mehr still. Freundinnen und Freunde, von denen ich es nie gedacht hätte, haben jetzt ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Das Versagen der Kirchenführer droht, die katholische Kirche als mittelalterliche Sekte in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen. Das ist bitter. Denn viele Menschen engagieren sich auch bei uns in Hamburg in katholischen Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern, Kirchengemeinden und Suppenküchen für christliche Werte, damit wir als Gesellschaft besser zusammenleben können.
Drei Dinge sind nötig
Damit die katholische Kirche wieder ein ernstzunehmender, glaubwürdiger Partner in unserer Gesellschaft sein kann, sind drei Dinge nötig.
Erstens: Eine Bitte um Vergebung. Bedauern reicht nicht. Sich entschuldigen geht nicht. Die katholische Kirche muss um Vergebung bitten: Die Opfer von sexualisierter Gewalt um Vergebung bitten, die sie nicht ernst genommen und verschwiegen hat. Die Schwulen und Lesben um Vergebung bitten, die sie Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte drangsaliert, verfolgt und verformt hat. Diese Kirche hat versagt. Sie hat Opfer allein gelassen. Sie hat Täter geschützt. Ihr war das eigene Image wichtiger als die Menschen. Diese Kirche hat ihren Markenkern - die Liebe, die Nächstenliebe - vergessen und verraten und ist immer wieder zu einem Machtapparat, der die Schwächsten gängelt, verkommen. Ihre Führer bis hin zum emeritierten Papst, sind bis heute unfähig, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu ziehen. Sollten der Papst und die Bischöfe, auch Hamburgs Erzbischof Heße, in einem offiziellen Akt, ganz ohne Weihrauch oder festliche Gewänder, mit klaren Worten um Vergebung bitten, wäre das ein Anfang.
Arbeitsregeln anpassen
Zweitens: Ein neues Arbeitsrecht. Die Arbeitsregeln beider Kirchen müssen schleunigst so angepasst werden, dass allen klar wird, in welchem Jahrhundert wir uns befinden. Dass bei uns in Hamburg Menschen gefeuert werden können, weil sie beispielsweise jemanden lieben, der oder die das gleiche Geschlecht hat, ist inakzeptabel. Wo leben wir denn?
Ein Hoffnungsschimmer
Drittens: Schweigen. Mit ist gerade die Lust vergangen, mir anzuhören, was katholische Würdenträger zu welchem Thema auch immer zu sagen haben. Dabei hätte sie bei vielen Themen eine wichtige Stimme für die Diskussion: Wenn es um Ungerechtigkeit, um Armut, um Klimawandel oder um Sterbehilfe geht. Aber wer will denn die Stimme einer Institution hören, die so sehr an ihren eigenen Ansprüchen scheitert und damit maximal unglaubwürdig geworden ist? Schweigen. Zuhören. Demut. Damit sollten sich die katholischen Würdenträger jetzt beschäftigen. Das spektakuläre Outing der mehr als 100 Frauen und Männer, die trotz allem immer noch zu dieser katholischen Kirche halten, ist ein Hoffnungsschimmer. Diese Menschen spüren, dass da eigentlich etwas ist, das die Mühe und das Risiko lohnt.
Die Kiche muss ihre Chance nutzen
Wenn die katholische Kirche, diesen Kern wiederentdecken und stärken würde, hätte sie immer noch eine Zukunft. Wenn sie diese Chance jetzt nicht ergreift, fällt sie endgültig in die verdiente komplette Bedeutungslosigkeit.
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