Kommentar: Hamburg braucht deutlich mehr öffentliche Unterkünfte
Es ist ein beeindruckender Vergleich: In Hamburg wohnen schon jetzt so viele Flüchtlinge in öffentlichen Unterkünften, wie die drei Stadtteile St. Georg, St. Pauli und Neustadt an Einwohnerinnen und Einwohnern haben. Und ein Ende des Zustroms sei nicht absehbar, sagt der Hamburger Senat. Im Herbst werden es rund 50.000 Menschen in Unterkünften sein. Stößt Hamburg also an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit? Diese Frage muss gestellt werden, meint Jörn Straehler-Pohl in seinem Kommentar.
Ja, Hamburg hat ein Problem. Ein Problem, über das monatelang kaum geredet wurde: Die Stadt findet kaum noch Flächen für neue Unterkünfte für Geflüchtete, kaum noch Material, um sie zu bauen. Und jeden Monat kommen tausende Menschen neu nach Hamburg. Viele davon direkt oder auf Umwegen aus der Ukraine. Aber inzwischen auch wieder aus anderen Ländern wie Afghanistan.
Jeder braucht ein Dach über dem Kopf
Wir müssen deshalb darüber reden, was eine Stadt wie Hamburg leisten kann. Und was sie leisten muss. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Innensenator Andy Grote (SPD) haben genau diese Fragen aufgeworfen, als sie am Donnerstagmittag vor die Presse getreten sind. Es war richtig, aber auch längst überfällig, dass die beiden schonungslos Auskunft geben. Ihre Botschaft: Wir haben keine andere Wahl, als unpopuläre Entscheidungen zu treffen, und überall dort Unterkünfte zu bauen, wo es nur irgendwie geht. Denn jede und jeder braucht ein Dach über dem Kopf.
Große Fluchtbewegungen werden wohl die Regel
Hamburg steht damit vor ähnlichen Problemen wie in der Krise der Jahre 2015 und 2016. Und selbst wenn Russland seinen Angriffskrieg bald beendet, sollte uns eines klar sein: Wir müssen auch in Europa damit rechnen, dass große Fluchtbewegungen nicht mehr die Ausnahme sind, sondern zur Regel werden. Das wird auch eine Stadt wie Hamburg verändern. Wahrscheinlich brauchen wir dauerhaft deutlich mehr öffentliche Unterkünfte. Allein deshalb, weil Menschen, die in einer Unterkunft leben, nur wenig Chancen auf eine bezahlbare Mietwohnung haben.
Keine einfachen Antworten
Die aktuelle Krise kommt zu einer Zeit, in der die meisten von uns schon genug andere Sorgen haben. Vor der nächsten Energierechnung. Vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Hilfsbereitschaft in solchen schweren Zeiten ist eine besondere Herausforderung, die alles andere als selbstverständlich ist. Nein, es gibt keine einfachen Antworten auf die Krise. Aber zumindest auf eine Sache sollten wir ein bisschen stolz sein: Hamburg ist eine solidarische Stadt, die vielen Menschen schon Schutz und Hilfe geboten hat.