Harrys Hafenbasar verlässt den Kiez

Harrys Hafenbasar liegt etwas abseits von der Reeperbahn - in einer Seitenstraße mit Kopfsteinpflaster. Jetzt im nasskalten Februar wirkt alles ein wenig trostlos. Wer aber an der Ecke Erichstraße/Balduinstraße durch die Tür von Harrys Hafenbasar tritt, taucht sofort in eine andere Welt ein. Afrikanische Holzmasken und Figuren türmen sich zu einem exotischen Durcheinander auf. Der Laden ist eine Institution auf dem Kiez. Für viele eingefleischte St. Paulianer gehört Harrys Hafenbasar ebenso zum Viertel wie die Davidwache und die Herbertstraße. Der Kiez ohne Hafenbasar? Für sie undenkbar. Und doch ist es bald so weit. "Der Mietvertrag ist gekündigt worden", erzählt Besitzer Gereon Boos. Ende April steht der Umzug an.
Mit Hochzeitsgeschenken fing es an
Gereon Boos hat längst einen neuen Ort für den legendären Hafenbasar auserkoren. Es ist ein ausgedienter Schwimmkran aus der Nachkriegszeit. Zehntausende Euro hat sich der Hafenbasar-Besitzer das Abenteuer "Hafenbasar auf dem Wasser" schon kosten lassen. Für den Kauf und die Sanierung des Krans. Der 46-Jährige kennt Harry Rosenberg noch aus der Zeit, als der frühere Seemann in seinem Hafenbasar saß. Später hatte Boos auch einen guten Draht zu Tochter Karin. "Meine Frau und ich haben uns für unsere Hochzeit Geschenke aus dem Hafenbasar gewünscht", erzählt Boos. "Mehr als 1.000 Euro kamen so für Karin zusammen. Sie hat mir daraufhin lebenslang freien Eintirtt versprochen." Nach dem überraschenden Tod von Karin Rosenberg im Frühjahr 2011 kaufte Boos den Hafenbasar. Er will ihn unbedingt erhalten. Mit den Rosenbergs teilt er die Faszination für exotische Masken und Schutzgeister. "Der Hafenbasar steckt voller Energie" schwärmt Boos bei einem Rundgang dürch die vollgestellten Räume in der Erichstraße.
Geschäfte laufen schlecht
Tag für Tag arbeitet Boos mit Helfern an der Reparatur des Schwimmkrans, der zurzeit im Hansahafen beim Hafenmuseum liegt. Nachmittags sitzt Boos dann in St. Pauli im Hafenbasar - und hofft auf Besucher. Im Winter ist dies kein Vergnügen - die Räume sind nicht beheizt. Und die Geschäfte laufen seit Jahren schlecht. Häufig kommt kein einziger Besucher am Tag durch die Tür. Selbst die Hamburger haben den Hafenbasar nicht mehr auf dem Zettel. "Inzwischen schauen mehr Österreicher und Schweizer herein als Hamburger." Viele Reiseführer führen den Hafenbasar als Touristen-Attraktion auf. Aber die Ladenmiete lasse sich von den Einnahmen kaum bezahlen. Einen Online-Shop wird es trotzdem nicht geben. "Den Zauber des Hafenbasars muss man einfach erleben", meint Boos.
Erst HNO-Arzt, dann Schamane
Der gebürtige Rheinländer hat keinen leichten Stand im Viertel. So mancher eingefleischter St. Paulianer sieht in ihm einen neureichen Fremden. "Einmal hat mich eine Frau aus dem Viertel als 'Scheiß-Kapitalisten' beschimpft", berichtet Boos. Aber er lässt sich davon nicht unterkriegen. Immerhin kann er auf ein paar Hafenbasar-Freunde zählen, die ihm bei seiner Mission zur Hand gehen. Kürzlich haben sie einen Verein gegründet. Ihr Ziel ist, den Hafenbasar zu retten.
Boos selbst ist zwar kein Seemann wie Harry Rosenberg einst. Aber er hat auch schon viel von der Welt gesehen. Er ist HNO-Arzt, wechselte später in die Pharma-Industrie. Er verbrachte eine Zeit lang in Äthiopien und ließ sich in den Anden in der Heilkunst der Schamanen unterrichten. Hamburg kennt er seit Langem, er lebte sogar mal ein halbes Jahr lang am Stück im Luxushotel Atlantic - auf Kosten seines Arbeitgebers.
Liegeplatz ist noch ein Geheimnis
Dem Umzug des Hafenbasar sieht Boos entlassen entgegen. Auch wenn das bedeutet, dass er mehr als 300.000 Ausstellungsstücke auf den Schwimmkran bringen muss. "Aber das machen wir einfach mit einer Menschenkette - so wie beim legendären Umzug des Hafenbasars im Sommer 1996." Damals halfen Freiwillige, die Masken und ausgestopften Tiere vom Stammhaus in der Bernhard-Nocht-Straße an den neuen Standort ein paar Häuser weiter zu tragen. Wo der Schwimmkran am Ende liegen wird, möchte Boos noch nicht verraten. Nur so viel: Der Hafenbasar wird seine neue Heimat irgendwo im Hamburger Hafen finden.
