Verfassungsschutz: Rechtsextremismus größte Gefahr
Trotz der vergleichsweise geringen Zahl von Rechtsextremisten in Hamburg sieht Innensenator Andy Grote (SPD) die Beobachtung der Szene als Hauptaufgabe für den Verfassungsschutz. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2019 am Freitag verwies er auf mehrere Taten. Etwa den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, den Anschlag von Halle mit zwei Toten und die Ermordung von neun Menschen mit Migrationshintergrund in Hanau. "Wir gehen seitdem von einer dramatisch veränderten rechtsextremistischen und rechtsterroristischen Bedrohungslage aus bundesweit", so Grote. Zum Rechtsextremismus zählte der Verfassungsschutz in Hamburg im vergangenen Jahr 330 Menschen. Das sind zehn weniger als im Vorjahr.
Beobachtung von AfD-Mitgliedern
Verfassungsschutzchef Torsten Voß sagte, dass auch in Hamburg Parteimitglieder der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zählen mindestens zehn Hamburger AfD-Mitglieder zum sogenannten Flügel. Seit März steht der sogenannte Flügel der AfD bundesweit unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, weil er als rechtsextremistisch gilt. In Hamburg seien Flügel-Anhänger vor allem im Bezirk Hamburg-Mitte aktiv, hieß es. Dort hätte es beispielsweise Solidaritätsbekundungen mit Flügel-Gründer Björn Höcke und mit Andreas Kalbitz gegeben - also dem Brandenburger Politiker, den die Parteispitze der AfD inzwischen selbst loswerden will.
Innensenator Grote sieht aber nicht nur beim Flügel, sondern in der gesamten Hamburger AfD die Tendenz, sich zu radikalisieren. Das werde beispielsweise beim inzwischen sehr aggressiven Ton in der Bürgerschaft deutlich.
Auch Linksextremismus bereitet Sorgen
Große Sorgen bereitet der Innenbehörde und dem Verfassungsschutz aber nach wie vor auch der Linksextremismus in Hamburg. Es gebe inzwischen radikalisierte Zellen, die an der Grenze zum Linksterrorismus stünden, so Voß. Als Beispiel dafür führt er den Anschlag auf den Wagen des Innensenators im vergangenen Jahr an. Dem Linksextremismus werden 1.290 Personen zugerechnet, 45 weniger als 2018.
Im Bereich des Islamismus verortete der Verfassungsschutz 1.631 Menschen, 66 mehr als im Vorjahr. Bei Extremisten mit Bezug zum Ausland, hierzu zählt etwa die kurdische Arbeiterpartei PKK, verorteten die Verfassungsschützer 790 Personen, 55 weniger als im Vorjahr.
Kritik von AfD und Linken
Die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft kritisierte den Bericht: "Der SPD-Innensenator Grote hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden, wenn er davon ausgeht, dass man als Oppositionsfraktion nicht auf Konfrontationskurs setzen darf", erklärte Fraktionschef Dirk Nockemann. Der Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Wolf, kritisierte, mit der Schwerpunktsetzung auf den Rechtsextremismus baue der Verfassungsschutz einen Popanz auf. "Es gibt ein Vielfaches an gewaltorientierten Linksextremisten im Vergleich zu Rechtsextremisten - und der Innensenator erklärt allen Ernstes öffentlich: Der Rechtsextremismus stelle die größte Gefahr dar."
Der innenpolitische Sprecher der Fraktion der Linken, Deniz Celik, reagierte mit Empörung auf die Warnung von Verfassungschutzchef Voß vor einem neuen Linksterrorismus. "Das ganze Land wurde in den vergangenen Monaten von tödlichen Anschlägen durch Rechtsterroristen erschüttert, aber Herr Voß beschwört eine vermeintliche Gefahr von links, die angeblich an der Schwelle zum Terrorismus stehe. Mit dieser absurden Aussage befeuert er eine Phantomdebatte und schwächt die Fokussierung auf die Bekämpfung des mörderischen Rechtsextremismus", meinte Celik. Der Verein Seebrücke Hamburg wies die Darstellung des Verfassungsschutzes scharf zurück, er sei eine von Linksextremisten beeinflusste Gruppierung.
