Hamburg: Studierende aus der Ukraine fürchten Abschiebung

Stand: 12.08.2022 20:25 Uhr

Viele vor dem Krieg in der Ukraine geflohene internationale Studierende ohne ukrainischen Pass wollen in Hamburg weiterstudieren. Doch längst nicht alle bekommen den nötigen Aufenthaltstitel. Nun fürchten sie, abgeschoben zu werden.

von Hauke Lorenz, Lia Gavi

Kenneth James hat im südukrainischen Saporischschja Medizin studiert. Bald hätte er seinen Abschluss gemacht. Doch als am 24. Februar 2022 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann, musste der Nigerianer fliehen. Jetzt ist er in Hamburg, möchte hier sein Studium beenden. Dafür braucht er eine Aufenthaltsgenehmigung. Doch beim Amt für Migration wurde er abgewiesen.

Kenneth James aus Nigeria hat in der Ukraine Medizin studiert und ist nach Hamburg geflüchtet. © NDR Screenshot
Kenneth James bemüht sich in Hamburg um einen Aufenthaltstitel. Seine Erfahrungen mit den Behörden waren bisher für ihn frustrierend.

"Er hat sich nicht einmal meine Unterlagen angeschaut. Es hat ihn nicht interessiert", erzählte Kenneth im Interview mit dem NDR Hamburg Journal. Der Beamte soll gesagt haben, Kenneth solle einfach zurück nach Nigeria gehen und dort studieren. Kenneth habe ihm seine Situation geschildert; dass die Uni dort bestreikt würde, dass er nach Hamburg gekommen sei, um sich weiterzubilden. Doch das habe für sein Gegenüber keine Rolle gespielt.

Übergangslösung für Studierende ohne ukrainischen Pass

Geflüchtete mit ukrainischem Pass konnten gleich zu Kriegsbeginn einen zweijährigen Aufenthaltstitel beantragen. Ende April kündigte Hamburg dann eine vorrübergehende Bescheinigung auch für geflohene Studierende ohne ukrainischen Pass an. Sechs Monate, bis zum 31. August, sollten sie Zeit haben, sich um einen Studienplatz zu kümmern und Deutsch zu lernen. "Mit dieser Hamburger Sonderreglung - einmalige Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 und 5 Aufenthaltsgesetz - schöpft Hamburg die aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten bereits vollständig aus", hieß es dazu in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem NDR. 859 dieser sogenannten Fiktionsbescheinigungen hat die Behörde nach eigenen Angaben bis zum 8. August ausgestellt.

Innenbehörde räumt Fehler ein

Doch dem NDR Hamburg Journal liegen Informationen vor, dass aus der Ukraine geflohene Studierende zuletzt immer wieder abgewiesen wurden. So wurden einzelne Personen bereits aufgefordert, den Schengenraum zu verlassen. Ihnen wurde mit der Abschiebung gedroht, obwohl sie sich laut EU-Kommission noch bis mindestens Ende August in der EU aufhalten dürfen.

Auf Anfrage räumte der Pressesprecher der Innenbehörde diesen Fehler ein. "Nach Bekanntwerden hat die Innenbehörde das Amt für Migration umgehend darauf hingewiesen, dass Ausreisefristen für diese Personengruppe nicht vor Ablauf des 31.08.2022 enden dürfen. Wir haben den Fehler somit umgehend abgestellt und gebeten, diese Fälle nochmal zu überprüfen und ggf. zu korrigieren."

Aktivistin: "Für uns sind das definitiv keine Einzelfälle"

Es gebe bestimmt streitbare Fälle, erklärte Asmara Habtezion vom Hamburger Verein Asmara’s World, der sich für Migrantinnen und Migranten in Hamburg engagiert und antirassistische Bildungsarbeit leistet. Trotzdem kritisierte die Aktivistin das Vorgehen der Behörden scharf: "Generell ist der Umgang aber nicht nachvollziehbar. Und ich beobachte sehr stark Rechtsbrüche. Es gab jetzt mehrere Situationen, wo Fehler eingeräumt wurden von der Innenbehörde, die als Einzelfälle bezeichnet werden, was für uns definitiv keine Einzelfälle sind."

Ein ungleiches Paar: Links eine Ukrainierin, rechts ein Marokkaner, der zu Kriegsbeginn in der Ukraine studiert hat. Er hat nun Probleme, in Deutschland weiterzustudieren. © NDR Screenshot
Ein ungleiches Paar: Sie hat einen ukrainischen Pass, der ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland sichert. Er hat einen marokkanischen Pass, der seine Situation erschwert.

So hatte ein ukrainischer Student mit marokkanischem Pass ein Visum für Deutschland beantragt. Seine Beziehung mit einer Ukrainerin sollte die Grundlage für eine Genehmigung sein. Doch auch er wurde bereits zur Ausreise aufgefordert.

Ihm seien die Papiere abgenommen worden, erzählte er. Wenn er sie zurückhaben wolle, müsse er nachweisen, dass er Deutschland bald verlasse, soll ihm gesagt worden sein. Seine ukrainische Freundin schäme sich, dass es für sie so einfach gewesen sei. "In der Ukraine ist Krieg und auch diese Menschen fliehen vor dem Krieg", betonte sie.

Petition fordert gleiche Rechte

Um bleiben zu können, haben einige der Betroffenen bereits Eingaben bei der Hamburgischen Bürgerschaft gemacht. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben sie auch eine Petition gestartet und bislang über 40.000 Unterschriften gesammelt.

Weitere Informationen
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Hamburg Journal | 12.08.2022 | 19:30 Uhr

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