Hamburg: Mieter wehren sich erfolgreich gegen Auszug

Stand: 03.09.2022 19:52 Uhr

Immer wieder kommt es auf dem überhitzten Hamburger Wohnungsmarkt zu Skandalen. Vielfach regt sich Protest unter den Mieterinnen und Mietern, doch nur selten zeigt er Wirkung. Nun aber gibt es eine Erfolgsgeschichte von Menschen, die durch gemeinsames Engagement in ihren Wohnungen bleiben können.

Seit einem Viertel-Jahrhundert wohnt Inga-Britt Sievers in ihrer Wohnung in der Jarrestadt in Hamburg-Winterhude. Als vor fünf Jahren der neue Eigentümer, das Immobilienunternehmen HRP, anfing, Miet- in Eigentums-Wohnungen umzuwandeln und langjährige Mieterinnen und Mieter aus ihren vier Wänden zu vertreiben, stand für die Rentnerin fest: "Ich komme hier nur mit den Füßen nach vorne raus, die kriegen mich hier nicht raus." Es sei einfach eine tolle Wohngegend, so die Rentnerin. "Ich lebe hier gerne, und das lasse ich mir auch von denen nicht vermiesen."

Eine Mieterin in der Hamburger Jarrestadt gießt Blumen auf dem Balkon. © Screenshot
Inga-Britt Sievers auf dem Balkon ihrer Wohnung in der Jarrestadt.

Rund 300 Wohnungen in Winterhude und Eppendorf wollte HRP veräußern. Da leere Wohnungen sich leichter und für höhere Preise verkaufen lassen, soll es zu fragwürdigen Methoden gekommen sein.

Rentnerin macht Eigentümern schwere Vorwürfe

Der Eigentümer habe eigentlich nichts mehr an den Wohnungen gemacht, erzählt Sievers. "Keine defekten Fenster repariert, keinen Schimmel entfernt, es einfach ignoriert oder uns als Mietern die Schuld gegeben", sagt die Rentnerin. "Dann wurden gerade speziell ältere Leute sozusagen bedroht. Sie müssten aus der Wohnung raus, aber würden eine Abfindung kriegen - was ich erst mal ganz toll anhört, aber leider Gottes nicht toll ist."

Sievers schloss sich mit anderen Mieterinnen und Mietern zusammen. Sie fand heraus, dass bereits 40 Wohnungen leer stehen. Die Initiative wandte sich ans Bezirksamt, um die Missstände dort anzuzeigen, und beriet sich mit dem Verein Mieter helfen Mietern.

Erfolg nach fünf Jahren: "Diese Firma verlässt die Stadt"

Zusätzlich schaltete die Anwohner-Initiative die Medien ein. Auch das Hamburg Journal berichtete im vergangenen Jahr über die Notlage der Mieter. Nach nun fünf Jahren Protest gibt es einen Erfolg: "Das Ergebnis dieses langjährigen Widerstandes ist gewesen, dass der spekulative Leerstand dieser Immobilienfirma beendet worden ist oder sukzessive beendet wird", sagt Marc Meyer von Mieter helfen Mietern. "Und dass diese Firma jetzt tatsächlich ihre Interessen in Hamburg aufgibt und diese Stadt verlässt."

HRP hat die Immobilien an die Versicherungskammer Bayern verkauft. Diese arbeitet zwar ebenfalls Rendite-interessiert, will die Wohnungen aber halten und instandsetzen. Damit sind für die Hamburger Mieter und Mieterinnen Kündigungen und drohender Wohnungsverlust wegen Verkauf oder Eigenbedarf vom Tisch. "Das ist ein hervorragendes Beispiel, wie Menschen, wenn sie sich zusammensetzen und sich wehren, auch Erfolg haben können", meint Meyer.

Sievers hat eine Bitte an die Stadt

Sievers ist froh, dass sich ihr Engagement gelohnt hat, fordert aber für andere Betroffene mehr Hilfe seitens der Politik. "Es gibt extrem viel leeren Wohnraum. Und es gibt extrem wenig bezahlbaren Wohnraum. Und das finde ich, sollte die Politik und auch die Stadt ändern. Sie sollten ein bisschen sozialer werden und auch mal an die Menschen denken, die eben in der Mitte oder unten sind."

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Bunte Häuserfassaden in Wilhelmsburg. (Archivfoto) © picture alliance / Bildagentur-online

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 03.09.2022 | 19:30 Uhr

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