Zwei junge Leute zählen vor einem Sparschwein Geldscheine © Picture Alliance Foto: Christin Klose

"200 Euro reichen nicht": Studierende hoffen auf langfristige Hilfen

Stand: 11.09.2022 13:34 Uhr

Einmalig 200 Euro: Das sei keine langfristige Hilfe in Zeiten der Inflation, betonen Studierende in Hamburg. Sie und das Studierendenwerk Hamburg hoffen auf monatliche Hilfen vom Bund, darunter mehr BAföG.

von Lisa Hentschel

Konkrete Einkaufsliste, Kaffee selbst kochen, kein teures Hobby mehr, Handy und Laptop in der Bibliothek aufladen - die Spar-Liste von Eva ist lang. Sie studiert Psychologie in Hamburg. Eine Klausur und die Bachelor-Arbeit trennen die Hamburgerin noch vom ersten Studien-Abschluss. Eigentlich müsste ein Master folgen, danach eigentlich noch fünf weitere Jahre eine Ausbildung. Erst dann könne sie beruflich loslegen. Doch wie sie das finanziell schaffen soll, weiß sie noch nicht.

Eva, Studentin in Hamburg, sitzt auf dem Campus auf einer Mauer. Im Hintergrund ist ein Universitätsgebäude und die Mensa "Blattwerk" zu sehen. © NDR Info Foto: Lisa Hentschel
Eva, Psychologie-Studentin in Hamburg, spart, wo sie kann. Einmalig 200 Euro seien nett, aber keine langfristige Hilfe.

Einmalig 200 Euro vom Bund, die sind - wenn sie kommen - für die 22-Jährige eine nette Geste, aber keine langfristige Hilfe. So sieht es auch Luca. Der 21-jährige Lebensmitterchemie-Student aus Hamburg fällt bisher beim BAföG durchs Raster. In der Theorie hat er Anspruch auf ausreichend Unterhalt. In der Praxis sehe er vom Geld derzeit nichts. Und nur durch einen monatlichen Zuschuss könne er - trotz Nebenjob - finanziell als Student in Krisenzeiten klarkommen, sagt er.

STWHH-Geschäftsführer im Interview: "200 Euro sind nur ein Baustein"

Deshalb greife die zu begrüßende Einmalzahlung zu kurz, betont das Studierendenwerk Hamburg (STWHH). Der Bund müsse Studierenden monatliche Hilfen und das langfristig anbieten. Auch Studierendenwerke selbst benötigten finanzielle Unterstützung. Ansonsten kämen auf Studierende weitere Kosten zu.

NDR Info hat mit Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des STWHH, gesprochen.

200 Euro soll es vom Bund für alle Studierenden in Deutschland geben - egal, ob an Universitäten oder Fachhochschulen eingeschrieben. Wie beurteilen Sie die geplante Einmalzahlung?

Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks in Hamburg, steht in seinem Büro auf einem Stehtisch. Im Hintergrund ist sein Schreibtisch zu sehen. © NDR Info Foto: Lisa Hentschel
Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des "Stwhh", fordert monatliche Hilfen und finanzielle Unterstützung für Studierendenwerke.

Jürgen Allemeyer: Dass Studierende als eine Gruppe anerkannt werden, die Hilfe benötigt, ist eine wichtige politische Geste, eine gute Botschaft. Nur entsprechen die 200 Euro einem "Einmal-Effekt". Und das Geld bekommen auch diejenigen, die es nicht benötigen. Das sehe ich ein bisschen kritisch.

Solch eine Einmalzahlung hat es in den bisherigen Entlastungspaketen noch nicht gegeben. Wie kann das in der Praxis konkret funktionieren?

Allemeyer: Das fragen wir uns auch. Ich denke, in Hamburg ist die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke zuständig. Aber ich vermute, zunächst ist der Bund dran, sich zu überlegen, wie das Geld bei den Studierenden ankommt. Vorstellbar ist, dass es über die Hochschulen organisiert wird, weil dort alle immatrikuliert sind, aber ich weiß es einfach nicht.

Die Preise steigen weiter, insbesondere im Winter kann es auch für Studierende teurer werden. Wie schnell muss die Einmalzahlung erfolgen?

Allemeyer: Es sollte schnell geschehen, damit die Studierenden Sicherheit haben. Wie mit dem Heizkostenzuschuss, der für die BAföG-Empfänger gezahlt wird. Auch da ist die Abwicklung noch nicht abgeschlossen. Zum Wintersemester sollte es administrativ soweit geregelt sein, dass die Studierenden wissen, wann sie ihr Geld bekommen.

Reichen die 200 Euro denn aus?

Allemeyer: Das Geld ist ein Baustein im Hilfesystem, der zu begrüßen ist. Vom Strompreisdeckel beispielsweise profitieren Studierende genau so. 200 Euro sind allerdings deshalb keine Lösung, weil die Preiserhöhungen im Energiebereich viele erst nächstes Jahr erreichen werden. Dann sind sie auf finanzielle Hilfen angewiesen. Und das geht eigentlich nur, indem man systematisch den Mietanteil im BAföG erhöht. Und, indem man gleichzeitig die Freibeträge so erhöht, dass die Gruppe der Bezugsberechtigten vergrößert wird.

Auch gilt es die Menschen zu erreichen, die sich bisher außerhalb des BAföG bewegen, aber trotzdem nicht so viel Geld zur Verfügung haben. Und man muss für diejenigen, die keinen BAföG-Anspruch haben, die übrigen Hilfesysteme - Wohngeld zum Beispiel - entsprechend anpassen. Damit sie auch dann, wenn es kritisch wird, ihre Lebenshaltungskosten bezahlen können. Das betrifft die Energiekosten, die Lebensmittelkosten, die Mietkosten, die Mensapreise. All diese Kosten steigen. Und da ist Studierenden mit 200 Euro nicht geholfen. Das ist nur eine vorübergehende Hilfe. Langfristig sollte man sozialpolitisch agieren, ganz gezielt denjenigen helfen, die es wirklich brauchen.

Stichwort Mensapreise: Inwiefern werden diese in Hamburg noch steigen?

Allemeyer: Also wir sind ja mit höheren Lebensmittelpreisen konfrontiert, mit höheren Energiekosten. Auch die Produktion wird teurer. Das führt natürlich dazu, dass auch wir in der Mensa die Preise anheben müssen - wenn denn nicht die staatliche Förderung der Studierendenwerke deutlich angehoben wird. Damit die Preise für die Essen in den Mensen, aber auch die Mieten in den Wohnanlagen subventioniert werden können.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt: Wenn die Studierendenwerke finanziell gestärkt werden, dann können wir unsere Dienstleistungen günstig anbieten für Studierende. Und dann haben Studierende eine Chance, mit dieser Krisensituation zurecht zu kommen.

Und wenn das nicht passiert, kann es dann beispielsweise eine Obergrenze bei den Mensapreisen geben?

Allemeyer: Nein. Eine Obergrenze haben wir nicht, weil wir all das weitergeben müssen, was uns an Lebensmittelkostensteigerungen ins Haus hineinschneit. Die Preise dafür sind so um 20, 30 Prozent gestiegen. Wir haben schon versucht, günstigere Alternativen bei den Produkten zu wählen. Aber an die fünf bis zehn Prozent sind es bei uns allemal. Und das wird noch mehr werden.

Oder aber - als andere Alternative - wir müssten die Semesterbeiträge deutlich anheben. Und das um etwa 20 Euro in Hamburg, als Solidarbeitrag von allen. Und auf dieser Basis könnten wir wiederum die Essenspreise niedrig halten.

Was denken Sie: Wird es dazu kommen müssen?

Allemeyer: Der Staat ist in der Pflicht, Studierendenwerke zu unterstützen. Damit diese ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen können, Studierenden das Studieren zu ermöglichen - unabhängig davon, wie viel Geld sie haben und aus welcher Familie sie kommen. Auch mit der Stadt Hamburg sind wir im Gespräch, dass sie uns finanziell unterstützt. Da bin ich optimistisch, dass die Semesterbeiträge zunächst erst einmal stabil bleiben können.

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Aktuell | 08.09.2022 | 09:48 Uhr

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