Wir müssen uns empören - Die AfD und der Islam
Die rechtspopulistische AfD bleibt bei ihrem islamfeindlichen Kurs. Und sie legt weiter zu in den Meinungsumfragen. Aber sie stößt auch auf heftige Kritik. Über alle Parteigrenzen hinweg. Die Bundesregierung verweist auf die im Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit, Vertreter der Kirchen betonen die Solidarität von Christen und Muslimen. Und auch zahlreiche Muslime fordern, sich deutlich von der AfD zu distanzieren.
Ein Kommentar von Kübra Gümüsay
Wir sind schuld. Wir alle. Wenn Politikerinnen und Politiker - wie die Parteispitze der AfD - ohne jegliche Scham, sondern im Gegenteil, stolz und selbstbewusst ihre Abneigung, ihren Hass und ihr Misstrauen gegenüber einer Religion, dem Islam, zum Mittelpunkt ihres Parteiprogramms machen, dann haben wir etwas falsch gemacht. Wir, das sind alle, die Gesellschaft insgesamt. Wir müssen uns fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte antimuslimischer Rassismus derart salonfähig werden?
Der Islam wird ethnisiert
Das liegt unter anderem daran, dass antimuslimischer Rassismus nicht so einfach gestrickt und plump daherkommt, wie der Rassismus, den wir aus Schulbüchern kennen. Er gibt sich intellektuell. So als würde er sich in einer rein kritischen und aufklärerischen Auseinandersetzung mit einer "Ideologie" befinden, nicht aber mit einer Religion und schon gar nicht mit tatsächlichen Menschen. Die AfD macht es sich einfach, indem sie behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, einige Muslime hingegen schon. So als könnte man Religiöse von ihrer Religion trennen. Sie versuchen damit, dem Vorwurf des Rassismus zu entgehen.
Antimuslimischer Rassismus - geht das denn überhaupt? Der Islam ist schließlich keine Rasse, sagen viele. Dabei liegt genau da die Krux. Der Islam wird ethnisiert. Menschen, die so aussehen, als könnten sie aus einem muslimisch geprägten Land stammen, werden oft wie Muslime behandelt. Unabhängig davon, ob sie tatsächlich muslimisch sind oder nicht. Ihnen werden die gleichen Ressentiments entgegengebracht, wie zuvor Türken, Arabern, den ehemaligen "Ausländern". Jahrzehntelang galten sie hierzulande als sexistisch, gewalttätig, ungebildet, demokratiefeindlich und rückständig; ihre Frauen als unterdrückt, bemitleidenswert oder im besten Fall als Handlanger ihrer Männer. Neu ist, dass nun pauschal die Religion als Ursache für diese Missstände herangezogen wird.
Wir müssen uns klarer positionieren
Vergangene Woche sagte die AfD-Spitze, der Islam sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Mit dieser Überzeugung befindet sich die AfD übrigens in bester Gesellschaft - nämlich mit eben jenen Radikalen und Extremisten, die den Islam für ihre Ideologie missbrauchen. Ein perfekter Schulterschluss.
Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie, friedliches Miteinander - diese Werte haben wir nicht gepachtet. Sie sind nicht selbstverständlich. Und deshalb müssen wir sie gegenüber Extremismus jeder Art beschützen. Nicht wie im vergangenen Jahr, als allein in den ersten sechs Monaten Anschläge auf mehr als 20 Moscheen verübt wurden und sich eine gähnende Stille breitmachte. Sondern wie vor zwei Jahren, als die Gegendemonstrationen zu Pegida größer waren als Pegida selbst.
Wir, die Gesamtgesellschaft, müssen lauter sein als diejenigen, die Hass verbreiten und Ressentiments schüren. Indem wir uns klarer positionieren. Indem wir uns rechtzeitig empören und wachsam sind. Denn wenn sich Menschen für ihre rassistischen Äußerungen nicht mehr schämen, dann sind wir mit unserer Empörung zu spät dran.
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