Der Kunstraub von Gotha im NDR Kultur-Podcast Kunstverbrechen
In der zweiten Folge des NDR Kultur-Podcast um den Kunstraub von Gotha geht es um eine sensationelle Entdeckung: einen möglicherweise echten Rembrandt.
In der Nacht vom 13. Dezember 1979 klettern Kunstdiebe über eine Regenrinne in die Museumsräume von Schloss Friedenstein in der thüringischen Stadt Gotha und stehlen fünf Bilder. Trotz enormer Fahndungsmaßnahmen bleiben die Gemälde fast 40 Jahre lang verschwunden. Erst im Jahr 2020 können sie in einer filmreifen Rückholaktion wieder an ihren angestammten Platz nach Gotha zurückgebracht werden. Bei der anschließenden Restaurierung der Bilder gibt es dann noch eine weitere große Überraschung: Eines der Bilder ist möglicherweise ein echter Rembrandt.
Ein alter Mann mit langem Bart und gerunzelter Stirn schaut dem Betrachtenden entgegen. Er wirkt nachdenklich, sorgenvoll, vielleicht traurig. Zugeschrieben wurde "Alter Mann", ein Brust-Porträt in dunklen Braun- und Orange-Tönen, dem Rembrandt Schüler Ferdinand Bol, Entstehungsjahr 1632.
Ein echter Rembrandt? Der Podcast Kunstverbrechen auf Spurensuche
Timo Trümper, Sammlungsleiter der Stiftung Schloss Friedenstein erinnert sich an den Moment, als das Gemälde zurück nach Gotha kam: "Es hatte tiefe Kratzer davongetragen, der Firnis war abgetragen, die ursprüngliche Farbigkeit war gar nicht mehr wahrzunehmen. Erst mit den Untersuchungen des Restaurators und der Firnisabnahme war klar, dass die Qualität der Malerei doch viel höher einzuschätzen ist, als man es erwartet hatte bei einer Kopie."
"Alter Mann" also keine Kopie des Schülers Bol, sondern ein echter Rembrandt? Der Restaurator des Gemäldes kommt als erster mit dieser bahnbrechenden Vermutung auf Trümper zu. Für ihn Freude und Schock zugleich, denn nun gilt es "das Puzzle neu zusammenzulegen und es war eine Aufgabe, vor der ich auch Respekt hatte."
Materialuntersuchungen liefern Hinweise auf ein mögliches Original
Timo Trümper und sein Team starten eine Reihe an kunsttechnologischen Untersuchungen: Dendrochronologie, also Bestimmung des Alters der Holztafel, Materialanalysen, Infrarot- und Röntgenaufnahmen. Es zeigt sich, dass die Maltechnik weniger akribisch-pedantisch war, sondern eher locker-leicht. Laut Trümper sehr untypisch für eine Kopie und eher ein Hinweis auf ein Original aus dem Pinsel des Meisters.
Genauso wie die nachträglich aufgetragenen Malschichten, die sogenannten Pentimenti. Diese konnten bisher schwer untersucht werden. "Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, mit einem MRX-Scan das Bild genauer zu analysieren, um dieser Frage dieser Pentimenti in den tiefen Malschichten genauer auf die Spur kommen zu können", hofft Trümper.
Der Nachweis für die Echtheit wäre sehr teuer
Doch das kostet viel Geld. Genauso wie eine Forschungsreise in die USA, denn der "alte Mann" hat einen Zwilling. Er hängt in den Gebäuden der US-Universität Cambridge. "Der Traum wäre natürlich diese beiden Versionen mal nebeneinander zu sehen, im direkten Vergleich, weil sie manche Fragen tatsächlich nur durch das Betrachten des Originals beantworten können", so Timo Trümper.
Heute kommen Original-Rembrandts bei Auktionshäusern wie Sothebys gerne für 20 Millionen Euro aufwärts unter den Hammer. Der Marktwert der gesamten Gemälde aus dem Diebstahl in Gotha wurde damals, 1979 auf etwa fünf Millionen Mark geschätzt. "Aus diesen fünf Millionen Mark sind vielleicht heute fünf Millionen Euro geworden", sagt Trümper: "In der Presse ist auch mal von zwölf Millionen Euro die Rede gewesen, aber am Ende sind das alles Zahlen, die rein fiktional sind, weil sie können diese Werke ja nicht ersetzen."
Ein Gemälde aus der "Werkstatt Rembrandt"
In Gotha ist man auch nach den vielen kunsttechnologischen Untersuchungen vorsichtig und schreibt zu dem Gemälde "Alter Mann": "Werkstatt Rembrandt". Es ist nun an Rembrandt-Experten weltweit, das Gemälde und dessen Entstehung zu diskutieren und es dann eventuell neu zu bewerten. Seit zwei Jahren läuft dieser langwierige Prozess. Bleibt zu hoffen, dass das Herzogliche Museum in Gotha von weiteren Einbruchsversuchen verschont bleibt. Der Wert der Beute hat sich nämlich massiv gesteigert.
Die erste Folge zum Fall des größten Gemäldediebstahls in der DDR bekommen Sie in unserem True-Crime Podcast Kunstverbrechen von NDR Kultur. Einfach in der ARD Audiothek anhören, der kostenlosen Audio-App der ARD.