Das Gebäude der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HFBK), Aufnahme von 2020. © picture alliance/dpa Foto: Daniel Reinhardt
Das Gebäude der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HFBK), Aufnahme von 2020. © picture alliance/dpa Foto: Daniel Reinhardt
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AUDIO: Stefan Hensel zum Umgang mit der Morddrohung an der HfbK (2 Min)

Nach Morddrohung: "HfbK hat ein massives Antisemitismus-Problem"

Stand: 13.02.2024 10:46 Uhr

Der Hamburger Antisemitismus-Beauftragte Stefan Hensel übt scharfe Kritik an der Leitung der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Nach einem Vorfall mit einer Morddrohung sieht er vor allem Hochschul-Präsident Martin Köttering in der Verantwortung.

von Daniel Kaiser

Das war ein Schreckmoment in der Hamburger Kunsthochschule am vergangenen Donnerstagabend bei der Eröffnung der Jahresausstellung. Pro-Palästina-Aktivisten störten die Feier mit "Free Palestine"-Rufen und dem Verteilen von Flugblättern. Als ein Besucher aufsteht und im Gehen den Aktivisten "From the Hamas Murderers!" ("Von den Hamas-Mördern!") zuruft, entgegnet einer der Demonstrierenden: "I will follow you and kill you." ("Ich werde dich verfolgen und umbringen.") Das "Hamburger Abendblatt" hatte zuerst über den Vorfall mit der Morddrohung berichtet. In der Zeitung kommt auch der Betroffene zu Wort, der anonym bleiben will: "Das war totale Angst. Man erlebt ja im Augenblick Aggressivität in einer Form, an die ich mich in unserer Gesellschaft nicht erinnere."

Pro-Palästina-Aktivisten sind erschrocken 

In der Pressemeldung der Hochschule über die Jahresausstellung ist von einem erfolgreichen Wochenende die Rede - von dem Zwischenfall mit der Morddrohung kein Wort. Auf Nachfrage teilte Pressesprecherin Sabine Boshamer mit, die Studierenden der gewaltfreien Protestaktion hätten sich mit Erschrecken von dem Bedrohungsvorfall distanziert. Der Aktivist, der die Morddrohung ausgesprochen habe, sei offenbar kein Student der HfbK. Hochschulpräsident Martin Köttering habe sich mit dem betroffenen Besucher ausgetauscht. Der verzichtet den Angaben der Hochschule zufolge auf eine Anzeige. Die HfbK-Leitung behält sich allerdings vor, selbst Anzeige zu erstatten.

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Die Hochschule sieht sich als "ein sicherer sowie offener Ausstellungs- und Diskursraum". Die HfbK stand allerdings erst kürzlich in der Kritik, weil Hochschulpräsident Köttering zwei Kuratoren der umstrittenen Documenta-Kuratorengruppe Ruangrupa als Gastprofessoren empfangen hatte. Auf der Documenta waren Bilder mit judenfeindlichen Motiven zu sehen. Kurz nach ihrer Gastprofessur hatten die beiden Aktivisten dann öffentlich Sympathie für die Terrorangriffe der Hamas gezeigt.

Antisemitismus anders definieren?

"Die Vorkommnisse an der HfbK zeigen erneut, dass die Hochschule ein massives Antisemitismusproblem hat", sagt Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel. "Professor Köttering, der die Hochschule leitet, hat offenbar kein Interesse daran, Antisemitismus wirksam zu bekämpfen." Hensel fordert die HfbK auf, sich derselben Antisemitismus-Definition anzuschließen wie der Bundestag, das Europaparlament und beispielsweise auch der FC St. Pauli. Es handelt sich um die sogenannte IHRA-Definition der "International Holocaust Remembrance Alliance". In Teilen der Kulturszene gibt es immer wieder die Bestrebung, Antisemitismus neu zu definieren und sich dabei an der neuen, weicheren sogenannten Jerusalem-Definition zu orientieren.

Scharfe Kritik an HfbK-Präsident Martin Köttering

"Für mich ist mittlerweile klar, dass Köttering nicht nur 'nicht kann', sondern er will nicht gegen Antisemitismus an der Hochschule vorgehen", sagte der Hamburger Antisemitismusbeauftragte. Es bleibe nun abzuwarten, wie mit den Störern vom Wochenende umgegangen werde. Dass man aus dem Lehrkörper der HfbK nichts vernehme, lasse fragen, in welcher Verfassung sich diese Hochschule befinde, wenn es keinen Widerspruch zu dem gebe, was Köttering dort seit Jahren betreibe.

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19.02.2024 13:41 Uhr

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags war irrtümlicherweise von einer Drohung gegenüber einem jüdischen Betroffenen die Rede. Das ist nicht richtig. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 12.02.2024 | 19:00 Uhr

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