"Unsere Herzen - Ein Klang": Lebendige und vielschichtige Doku
Der Film geht dem besonderen Zauber des Chorgesangs nach, mit Porträts von drei sehr spannenden Persönlichkeiten. Schade ist, dass die Kraft des Zusammensingens im Gespräch nicht tiefer ergründet wird.
2022 ist das "Jahr der Chöre". Dafür haben Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier den Dokumentarfilm "Unsere Herzen - Ein Klang" gedreht, der jetzt in die Kinos kommt.
Zu Beginn des Films stellt sich Simon Halsey, langjähriger Chef des Rundfunkchors Berlin, vor. Er leitet einen Meisterkurs im September 2019, beim Festival chor.com in Hannover, mit dem Jungen Vokalensemble Hannover und jungen Dirigentinnen und Dirigenten.
Hier, beim Meisterkurs, lernt man die drei Hauptpersonen kennen, die der Dokumentarfilm "Unsere Herzen - Ein Klang" gut eineinhalb Stunden lang ins Zentrum stellt. Eine davon ist Simon Halsey - ein charismatischer Menschenfänger von Anfang 60, international bekannt vor allem für seine Projekte mit großen Chören und für seine Qualitäten als Muntermacher.
Hyunju Kwon spricht über den großen Leistungsdruck
Die zweite Hauptfigur ist die Sängerin, Chorleiterin und Stimmbildnerin Judith Kamphues. Und als dritte prägende Persönlichkeit entdeckt der Film Hyunju Kwon, eine junge koreanische Dirigentin, die an der Hochschule für Musik Saar studiert und in der Arbeit mit dem Chor eine außergewöhnliche Intensität entfacht. Da offenbart sich eine tiefe Liebe zur Musik aber auch ein großer Leistungsdruck, den die introvertierte junge Frau klar benennt: "In Deutschland, wenn ich in der Klasse bin, möchte ich die Beste sein", so Hyunju Kwon. "Wenn ich das nicht erreiche, was ich haben möchte, habe ich das Gefühl, ich bin ein Loser. Das Gefühl ist so groß, das kann man nicht ertragen."
Judith Kamphues sieht ihre Aufgabe im Abbauen von Ängsten und Blockaden
Wie offen die Protagonist*innen sind, wie nahe sie das Regieduo Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier an sich heranlassen, ohne dass es aufdringlich wirkt, ist eine große Stärke des Films. Mit viel Empathie begleitet das Kamerateam die drei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, zeigt sie in Proben- und Konzertsituationen und bei Wettbewerben, aber auch in privaten Momenten und beim Nachdenken über die eigenen Ideen und Vorstellungen.
Judith Kamphues etwa sieht ihre Aufgabe als Gesangspädagogin vor allem darin, Ängste und Blockaden abzubauen. Für sie ist es wichtig, dass Kinder, die in der Schule singen, nur motiviert werden. "Selbst Erwachsene, wenn die dieses Trauma haben - ich musste da mal aufstehen, vorsingen und habe eine Fünf im Singen bekommen -, die singen nie wieder", sagt die Pädagogin.
Beseelte Gesichter zeigen die Kraft der Chormusik
Kamphues ermutigt zum Singen - auch beim Team einer Berliner Frauenarztpraxis, das unter ihrer Leitung zum Ensemble namens "Ultrasound" zusammengewachsen ist. Der Film zeigt die wunderbare Energie der Gruppe, aber auch die Probleme während der Corona-bedingten Zwangspausen, als Treffen nur per Video möglich waren.
Was es bedeutet, endlich wieder gemeinsam singen zu können, zeigt der Film zum Teil noch mit Beispielen aus der Zeit mit großen Sicherheitsabständen. Etwa beim WDR Chor, wo Simon Halsey seine ersten Proben nach der Zwangspause hatte.
Ob bei den professionellen Sängerinnen und Sängern oder bei Laienchören: Der Blick in die beseelten und hochkonzentrierten Gesichter, für den sich das Kamerateam immer wieder Zeit nimmt, sagt viel über die Kraft der Chormusik. Schade, dass dieser ganz besondere Zauber des Zusammensingens nicht auch im Gespräch ergründet wird. Da verschenkt der Film eine große Chance. Trotzdem bleibt es eine lebendige und vielschichtige Dokumentation zum Thema Chormusik, mit Porträts von drei sehr spannenden Persönlichkeiten.
"Unsere Herzen - Ein Klang"
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Deutschland
- Regie:
- Torsten Striegnitz & Simone Dobmeier
- Länge:
- 108 Minuten
- FSK:
- ab 0 Jahre
- Kinostart:
- 22. September 2022