Ein leerer Kinosaal © Michael Hoppach

Der Mann, der im Kino wohnt

Stand: 16.03.2023 13:55 Uhr

Das kleine Club-Kino in Zinnowitz ist das einzige "richtige" Kino auf Usedom. Geführt wird es von einem Mann, der ein wahrer Cineast ist, denn Michael Hoppach betreibt das Kino nicht nur, er wohnt auch darin.

von Melanie Last

Seit er ein Kind war, geht der heute 57-jährige Michael Hoppach im Kino ein und aus - ganz früh schon, als sein Vater noch Leiter des Lichtspielbetriebs auf Usedom war. Wenn der arbeitete, schaute der kleine Michael Filme. "Da gab es diese ganzen Sommerkinos, die auf der ganzen Insel verteilt waren. Da musste er mit den Filmvorführern sprechen und schauen, ob alles seine Ordnung hat", erzählt Michael Hoppach. "Da war ich noch ein kleines Kind und bin gerne mitgefahren. Während die Erwachsenen gesprochen haben, habe ich durch den Bildwerferraum durch die Scheibe geschaut und versucht, Teile des Filmes zu sehen."

Club-Kino in Zinnowitz mit Wohnzimmercharakter

In Zinnowitz geboren, kannte Michael Hoppach das Kino in der heutigen Neuen Strandstraße als Filmtheater. Damals standen die Stühle noch ganz klassisch hintereinander. Vor rund 30 Jahren, Anfang der 1990er-Jahre, hat er mit seinem Vater das Club-Kino übernommen, wenige Jahre später - 1996 - sogar gekauft und das Club-Kino-Flair erhalten: gemütliche Sessel mit Tischen in kleinen Gruppen, damit "die Besucher auch während der Vorstellung Getränke genießen können, die an den Platz gebracht werden", sagt Hoppach. "Dazu haben wir diese kleinen Knöpfe an den Tischen. Wenn der Gast noch etwas möchte, kann er einfach drücken. Dann weiß der Kellner hinten Bescheid, dass Tisch 16 noch eine Cola haben möchte. Dann wird die natürlich gebracht."

Die Kinogäste lieben es: "Wohnzimmercharakter, einfach gemütlich", findet ein Gast. "Das nächstbeste ist eine deutliche Autostrecke entfernt. Zum anderen ist es so ein klassischer großer Kinosaal von großen Ketten. Da ist der Film trotzdem ganz nett, aber das Flair außen drum ist ein anderes. Hier ist es einfach gemütlicher", meint ein anderer.

Wohnen im Kino

An der Decke des Kinosaals glitzert ein Sternenhimmel aus vielen kleinen Lichtern. Die Wände sind mit waldgrünem Stoff bespannt, vor der Leinwand hängt ein schwerer meeresblauer Vorhang. Das Farbkonzept hat Michael Hoppach mit einer Berliner Innenarchitektin entwickelt: "Mit dem Blau und dem Grün soll das Blau das Wasser darstellen, das Grün den Wald von Usedom", erklärt Hoppach. "So haben wir uns langsam vorgetastet. Die roten Sessel sind der Eyecatcher hier drin."

Wenn der Usedomer davon erzählt, strahlen seine Augen - fast so, als hätte er hier sein eigenes Wohnzimmer eingerichtet. Tatsächlich lebt er mit seiner Frau Marion Peters direkt über dem Kinosaal. "Ganz witzig, wenn man das anderen Leuten erzählt. Die können das immer gar nicht so ganz glauben", erzählt Marion Peters.

Es vergeht keine Woche, in der sie beide nicht gemeinsam einen Blockbuster schauen in ihrem Kino: "Ich sage mir immer: Ob ich nun allein auf der Couch sitze und Fernsehen schaue oder ob wir gemeinsam ins Kino gehen - dann gehe ich doch lieber ins Kino", sagt Peters.

Renovierend durch die Corona-Krise

Viel Aufheben macht Michael Hoppach nicht um sich und sein Lebenswerk. Dabei steckt alles von ihm in seinem Club-Kino: Herzblut, Schweiß, unzählige Ideen, lange Abende ohne Familie. Und Krisen, wie zuletzt die Corona-Pandemie, hat er auch gemeistert, erzählt Mitarbeiterin Dörte Mitschke: "Mit Corona hat man sich schon Sorgen gemacht. Da hat Micha mich beruhigt mit diesen ganzen Beschränkungen. Dann wurde zugemacht. Das war für uns eine Katastrophe."

Michael Hoppach hat die Corona-Zeit genutzt, Sessel, Stoffe, Tische und Beleuchtung zu erneuern. Besser als Herumsitzen, sagt der Zinnowitzer. Auch den zweiten, noch kleineren Saal mit Reihenkino, wo früher einmal Wohnungen waren, will er bald renovieren.

Entwicklung der Kinotechnik: Von der Filmrolle zum iPad

Ohnehin macht er vieles selbst. Mal ist er Karten-, mal Popcornverkäufer. An anderen Tagen repariert er, was anfällt. Filmvorführer ist er immer, er hat bereits in der DDR seinen "Meister für Filmwiedergabetechnik" gemacht. Früher brauchte er in seinem Kino noch den Umrolltisch für die Filmrollen. Heute zeigt er die Filme mit modernster Technik - vom iPad aus gesteuert.

Ans Aufhören denkt Michael Hoppach noch lange nicht. Und doch weiß er: Er braucht irgendwann einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin, damit sein mehrfach ausgezeichnetes Club-Kino Zinnowitz am Leben bleibt. Eine Sorge, die er noch weit von sich schiebt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 16.03.2023 | 19:00 Uhr

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