Klaus Mäkelä dirigiert in der Elbphilharmonie. © Daniel Dittus Foto: Daniel Dittus

Elbphilharmonie: Denkwürdiges Konzert unter Klaus Mäkelä

Stand: 14.11.2021 14:14 Uhr

Klaus Mäkelä ist der Shootingstar unter den Dirigenten. Der 25-jährige Finne steht bei vielen Klangkörpern der Spitzenklasse am Pult. Am Sonnabend dirigierte er das Amsterdamer Concertgebouw Orchester in der Elbphilharmonie - mit Sinfonien von Tschaikowsky und Schostakowitsch.

von Marcus Stäbler

Dmitri Schostakowitsch beginnt seine sechste Sinfonie aus dem Jahr 1939 mit einem schmerzlichen Gesang von Celli, Bratschen und Holzbläsern. Und schon hier, in den ersten Takten, ist all das zu erleben, was das denkwürdige Konzert ausmachen wird.

Concertgebouw Orchester: seidiger Klang

Das Amsterdamer Concertgebouw Orchester unter Dirigent Klaus Mäkelä in der Elbphilharmonie. © Daniel Dittus Foto: Daniel Dittus
Das Concertgebouw Orchesters, gehört seit Jahrzehnten zur Weltspitze.

Es ist der warme und seidige Klang des Concertgebouw Orchesters, der unbedingte Wille, gemeinsam zu gestalten. Und die Energie und Präzision, mit der Klaus Mäkelä diese Konzentration aufgreift und die krassen Stimmungswechsel der Sinfonie modelliert: die Seelendüsternis und Beklemmung im ersten Satz, aber auch den aufgesetzten Frohsinn im Allegro, mit dem Schostakowitsch den vom Stalin-Regime verordneten Zwang zum Jubel karikiert und ins Grelle überdreht.

Der 25-jährige Klaus Mäkelä - ein groß gewachsener junger Mann mit schlanken Gliedmaßen - vereint Klarheit und mitreißendes Temperament. Manchmal dirigiert er wie ein menschliches Metronom, mit geraden Gesten, und im nächsten Moment scheint er kurz davor, ins Orchester zu springen, als hätte er glühende Kohlen unter den Füßen. Aber das ist niemals Show, niemals zu viel, sondern immer im Dienst der Musik und in engem Kontakt mit den Mitgliedern des Concertgebouw Orchesters. Trotz der mächtigen Besetzung wahrt Mäkelä mit seinen Musikerinnen und Musikern einen sehr differenzierten Sound. "Natürlich suchen wir einen bestimmten Klang, der tief klingt und auch genug Transparenz hat", erzählt er.

Konzert voll Intensität und Ausdruckskraft

Diese Balance aus Tiefe und Transparenz finden Mäkelä und das Concertgebouw Orchestern auch nach der Pause, in Tschaikowskys sechster Sinfonie, seiner "Pathétique". Hinreißend, wie der Dirigent das bittersüße Geigenthema in die Bläser einbettet oder wie er die Akustik der Elbphilharmonie nutzt, um mit den Orchestersolisten ganz zarte Pianissimofarben zu erkunden. Auch in solchen geflüsterten Passagen hält Mäkelä immer die Spannung - um dann urplötzlich einen dramatischen Kontrast aufzureißen.

Diese Intensität und Ausdruckskraft tragen bis zum dunklen Ende, wenn Tschaikowsky seine Sinfonie in den tiefen Streichern ersterben lässt. Klaus Mäkelä dimmt das Orchester hier immer weiter herunter, bis in die Stille hinein und verharrt danach regungslos, mit leicht geneigtem Kopf. Das Publikum trägt diese Stille unglaubliche 50 Sekunden mit. Einer von vielen Belegen für die atemberaubende Dichte eines Konzerts, das zu den packendsten in der bald fünfjährigen Geschichte der Elbphilharmonie gehört und noch lange nachhallt.

Weitere Informationen
Screenshot: Dirigent Klaus Mäkelä im Gespräch mit Amanda Kleinbart. © NDR
2 Min

Amanda on the Spot: Dirigent Klaus Mäkelä

Der 26 Jahre junge Klaus Mäkelä gehört zu den "rising stars" der Klassikszene. Im Gespräch mit Amanda Kleinbart verrät der finnische Dirigent, welche Herausforderung die Abstandsregel speziell für seine Landsleute bedeutet. (engl.) 2 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 14.11.2021 | 14:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

Elbphilharmonie

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Der Regisseur Michael Verhoeven blickt in die Kamera. © picture alliance/dpa | Felix Hörhager

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Der Ehemann von Schauspielerin Senta Berger starb bereits am vergangenen Montag. Das hat die Familie bestätigt. mehr