Vier Personen auf der Bühne © Katrin Ribbe / Staatstheater Hannover Foto: Katrin Ribbe
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Vier Personen auf der Bühne © Katrin Ribbe / Staatstheater Hannover Foto: Katrin Ribbe
AUDIO: "Das Fest": Enthüllungen auf einer Familienfeier (3 Min)

"Das Fest": Enthüllungen auf einer Familienfeier

Stand: 21.01.2023 00:01 Uhr

Mit "Das Fest" drehte der dänische Regisseur Thomas Vinterberg 1998 seinen ersten Film nach den Dogma-Regeln. Stephan Kimmig hat sich am Schauspiel Hannover an eine neue Version fürs Theater gemacht.

von Agnes Bührig

Ein Partykeller mit niedriger Decke und dezent gemusterter Tapete. Schick gemacht und darauf bedacht, ein gutes Bild abzugeben, tanzt verkrampft eine Festgemeinde. Die Familie ist zusammengekommen, um Helges 60. Geburtstag zu feiern. Dass der Hausherr seine Gäste im untersten Stockwerk begrüßt - ein Sinnbild für den Morast des Missbrauchs, der später hochkommt.

Doch damit nicht genug. "Er enthält den Gästen permanent das Essen, weil er sie permanent in den Keller scheucht - also, sie müssen rauf und runter", erklärt der Regisseur Stephan Kimmig. "Er bestimmt sozusagen, zelebriert damit auch sein Machtsystem - dass nur er entscheidet, wann, was, wie und wo passiert. Alle sind mir Untertan, im Grunde, und das ist Material, mit dem ich umgehen kann, wie ich möchte."

Geburtstagsrede lässt die Bombe platzen

Der Patriarch mäkelt an allen herum - seinen drei Kindern und deren Partnern. Seine Tochter Linda hat sich vor drei Wochen das Leben genommen. Deren Zwillingsbruder Christian macht in seiner Geburtstagsrede öffentlich, dass der Vater den Selbstmord ausgelöst hat, weil er Linda missbrauchte. Da eskaliert die Situation.

Fabian Dott spielt den Christian: "Ich empfinde die Rede als Bombe, aber im Endeffekt ist es eher so, dass die Reaktion auf diese Rede das Interessante ist", findet der Schauspieler. "Wie reagieren die Geschwister, wie reagiert die Familie darauf? Ich finde, dass er dahingehend stur bleibt und unnachgiebig. Wenn eine Wahrheit raus ist, muss sie verfolgt werden und es ist wie ein Lauffeuer, das man nicht mehr aufhalten kann."

"Das Fest" in Hannover: Wie stürzt man einen Diktator?

Der Geist von Linda ist im Raum, symbolisiert durch ein Kind im Frack, das das Geschehen wie ein Conférencier begleitet. Ein Kontakt zu ihm ist nicht mehr möglich. Neudeutsch erinnert das an Ghosting, den nicht angekündigten Kontaktabbruch, um einem schwierigen Gespräch zu entgehen.

Und es gibt weitere aktuelle gesellschaftspolitische Blickwinkel, die Stephan Kimmig interessieren: "Aus der Pandemie heraus: Wir haben darüber gesprochen, was da eigentlich so passiert ist. Es ist ja bekannt geworden, dass der Missbrauch zu Hause - leider - total zugenommen hat während der Pandemie. Aber ein Thema ist noch hinzugekommen: Wie stürzt man einen Diktator - dieser Familienvater, dieses patriarchale System, sozusagen das Oberhaupt, der die Regeln bestimmt? Das ist ja reine Machtausübung, was der tut."

Schwere Traumata zu überleben, das geht manchmal nur, wenn man Tat und Täter konsequent ausblendet. Ein Thema, mit dem sich Stephan Kimmig schon öfter auseinandergesetzt hat - zuletzt in Hannover in "Rivka". In dieser Inszenierung geht es um die Familiengeschichte einer Holocaustüberlebenden.

Weitere Informationen
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"Das Fest": Enthüllungen auf einer Familienfeier

Stephan Kimmig hat aus dem Dogma-Film "Das Fest" eine neue Version fürs Schauspiel Hannover gemacht.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Schauspielhaus Hannover
Prinzenstraße 9
30159 Hannover
Preis:
ab 5 Euro
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 20.01.2023 | 09:20 Uhr

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Theater

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