Sendedatum: 13.03.2011 17:20 Uhr

New York. Porträt einer Stadt

von Anette Schneider

Es gibt Bildbände, die sind überfällig. Hierzu gehört "New York. Porträt einer Stadt", ein gut dreieinhab Kilogramm schwerer Bildband. Mit über 500 meist großformatigen Fotografien aus 150 Jahren schildert er die Entwicklung New Yorks vom Dorf zur Weltmetropole. Etwa 150 Fotografen und Fotografinnen dokumentieren Leben und Alltag im Big Apple, erzählen von Lust und Frust, von stetem Wandel, von großen Problemen, kleinen Fluchten. Anette Schneider war schlendern in "New York".

New York um 1920. - Zitat: Die Stahlkonstruktion der Brooklyn Bridge brachte die Architekten und Stadtplaner auf die Idee, dass die bei einem horizontalen Bauwerk angewendeten technischen Methoden und Materialien ebenso gut bei einer vertikalen Konstruktion zum Einsatz kommen könnten.

Und so wachsen die Wolkenkratzer höher und höher in den Himmel. Gleißend, strahlend, protzend - geschaffen von einem Heer von Arbeitern.

Moloch der Extreme

Die etwa 500 Fotografien des Bildbandes dokumentieren die über 150-jährige Entwicklung des Big Apel vom Dorf zur Weltmetropole.

Wie ein roter Faden ziehen sich dabei die Widersprüche zwischen arm und reich durch das Buch. Man sieht Arbeiter - und Flaneure, Slums - und die 5th Avenue. Man sieht kleine Jazz-Clubs und riesige Revue-Theater, schmuddelige Kioske und luxuriöse Restaurants - und immer wieder die sich ständig verändernde Skyline.

Zitat: New York ist wie eine riesige Zitadelle.
Das schreibt Henry Miller 1939.

Zitat: Geht man zwischen den prachtvollen Wolkenkratzern hindurch, fühlt man die Präsenz eines heulenden, tobenden Pöbels.

Geschichte in Epochen

Die Abbildungen sind mit knappen Erläuterungen sowie Zitaten aus Filmen, Romanen und Liedern versehen. Der Band selbst ist in fünf zeitlich aufeinanderfolgende Kapitel gegliedert, die eingeleitet werden durch kurze Texte zur jeweiligen Epoche.

So erfährt man, dass ab 1840 Millionen Armutsflüchtlinge aus Europa in die USA emigrierten. Viele blieben im ländlichen New York. Schon 1910 lebten dort fast 5 Millionen Einwohner - die Basis des heutigen Melting Potts.

Aufstieg und Fall

Gleißendes Licht fällt in die ansonsten düstere Halle am Grand Central Terminal, New York; Schwarzweiß-Foto eines unbekannten Fotografen (1929) © Courtesy of the New York Transit Museum Foto: unbekannt
Anonymous: The main concourse at Grand Central Terminal, 1929.

Nach dem 1. Weltkrieg boomte die Stadt. Central Station, Chrysler- und Empire State Building entstanden. Fotografen wie Walker Evans, Berenice Abbott, Paul Woolf, Samuel Gottscho, Weegee und Andreas Feininger dokumentierten diese Entwicklung.

1929 dann - der Börsenkrach.

Zitat: Die Stadt ging buchstäblich pleite. (...) Im Centralpark wurden Elendslager eingerichtet, die Menschen schliefen in der U-Bahn, der Times Square war wie leergefegt, und überall gab es Volksküchen.

Die 'personal' City

Immer wieder halten Fotografen die Hektik in den Geschäftsvierteln fest und Momente der Muße, Nachtschwärmer, spielende Kinder - und die Umwandlung gewachsener Stadtviertel in Luxus-Communities.

Leider erscheinen Themen wie Vietnamkrieg und Rassenunruhen, die den Alltag der 60er- bis 80er-Jahre prägten, nur am Rande. Dennoch gelingt dem Band ein Portrait mit vielen Ecken und Kanten. In ihm wird jeder "sein" New York wiederfinden, und viel Neues über diese einzigartige Stadt erfahren, die Le Corbusier 1961 so charakterisierte:

Zitat: Schon Hundert Mal habe ich gedacht, das New York eine Katastrophe ist. - Doch es ist eine wunderschöne Katastrophe.

New York. Porträt einer Stadt

von Golden, Reuel (Hrsg.)
Seitenzahl:
572 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Taschen, 572 Seiten
Bestellnummer:
978-3836505147
Preis:
49,99 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 13.03.2011 | 17:20 Uhr

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