Blick über einen Platz auf das Theater Osnabrück. © NDR Foto: Nicola Meyer

Wie das Theater Osnabrück die deutsch-polnische Community lockt

Stand: 23.03.2024 06:00 Uhr

Der Bereich Transkulturelles des Theater Osnabrücks hat das Ziel, die Angebote des Hauses für neue Zielgruppen zu öffnen. Jede Spielzeit hat dabei einen Länderschwerpunkt: in der aktuellen Saison liegt der Fokus auf Polen.

von Katharina Preuth

"Willkommen, Witamy, Welcome": Auf deutsch, polnisch und englisch grüßt das Programmheft zur transkulturellen Spielzeit 2023/24. In drei Sprachen sollen Menschen mit Migrationsgeschichte angesprochen werden. In dieser Saison will das Osnabrücker Theater vor allem diejenigen erreichen, die einen polnischen Hintergrund haben. Das soll durch Produktionen zum Partnerland gelingen und durch verschiedene Veranstaltungen, die das Land in den Mittelpunkt rücken.

Tanja Spinger © Theater Osnabrück
Tanja Spinger spricht als Leiterin des transkulturellen Bereichs neue Zielgruppen an.

"Bei den Kulturinstitutionen haben wir permanent das Thema des sich verändernden Publikums. Bei einem Migrationsanteil von über 30 Prozent müssen wir uns mit einem sich wandelnden Kulturbegriff auseinandersetzen. Die Perspektiven müssen multiperspektivischer werden und mehr Diversität vor, auf und hinter der Bühne repräsentieren", erklärt Tanja Spinger, Leiterin des Bereichs Transkulturelles des Theaters Osnabrück. Weiter sagt sie: "Wir haben uns die Fragen gestellt, für welches Publikum sind wir da und welche gesellschaftliche Verantwortung haben wir?"

Produktionen zum Partnerland Polen

Im Programm der aktuellen Spielzeit hat das Land einen festen Platz: Bereits im Oktober 2023 feierte das Schauspiel "Andere Leute" von Dorota Masłowska am emma-theater Premiere, der Studiobühne des Osnabrücker Theaters. In dem Stück geht es um Menschen im heutigen Warschau, die auf einer rasanten Suche nach einem besseren Leben sind. Drei weitere Premieren stehen für dieses Jahr auf dem transkulturellen Programm: Am 23. März ist die Erstaufführung des Schauspiels "Kinder der Zeit" von Nils Zapfe mit dem Ensemble am emma-theater. Der Regisseur hat gemeinsam mit Menschen aus der polnisch-deutschen Community in Osnabrück ein Stück aus biographischen Erzählungen und Lyrik polnischer DicherInnen entwickelt. Darauf folgt die Premiere des Tanzes "Dwa -Zwei" im Theater am Domhof, der zweite große Tanzabend der Dance Company, inspiriert durch die Geschichte und die Kunst des Partnerlandes. Die Choreografie hat unter anderem der Pole Maciej Kuzminski übernommen. Am gleichen Tag findet am Domhof das Konzert "Polnische Meister" statt, mit Musik der polnischen Komponisten Frédéric Chopin und Stanislaw Moniuszko.

Jedes Jahr ein neues Partnerland

Seit 2021 ist Ulrich Mokrusch Intendant am Osnabrücker Theater. Seit dieser Spielzeit hat Tanja Spinger als Spartenleiterin des Kinder- und Jugendtheaters das junge Publikum im Blick. Zur gleichen Zeit wurde der Bereich Transkulturelles gegründet - mit Spinger als Bereichsleiterin.

"Wir haben dann strategisch entschieden, dass wir jedes Jahr ein neues Partnerland auf unseren Spielplan setzen. In ausgewählten Produktionen beschäftigt sich das Theater dann in allen Sparten - Musiktheater, Oper, Schauspiel, Tanz und im Konzertbereich - mit dem Partnerland". Das können dramatische und literarische Vorlagen sein oder auch Uraufführungen oder Kompositionen von KünstlerInnen aus der Region.

"Wir haben geschaut, wer lebt denn hier, beziehungsweise wer würde für eine Zusammenarbeit ans Theater kommen", sagt Spinger. Beim Aufbau von Netzwerken arbeite sie eng zum Beispiel mit dem Friedensbüro der Stadt zusammen. Die Entscheidung, welchem Land sich das Theater widmet, richte sich nach der Anzahl der Menschen, die in der Stadt leben und daran, wie offen und interessiert die Community an Kultur ist. In Spingers ersten beiden Spielzeiten in der Friedensstadt lag der Länderschwerpunkt bei Syrien und der Türkei.

In der Stadt Osnabrück haben etwa 30 Prozent der EinwohnerInnen eine Migrationsgeschichte. Die größte Gruppe bilden dabei Menschen mit einem polnischen Hintergrund. So macht es nur Sinn, sich jetzt Polen zu widmen.

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TheateragentInnen als VermittlerInnen

Bereits im Vorfeld hat Spinger zu deutsch-polnischen Vereinen, Initiativen und Gesellschaften Kontakt aufgenommen und sie in den Prozess integriert. "Wir haben ganz offen gefragt, was die polnische Kultur ausmacht, was sie auf der Bühne sehen wollen, welche Künstler wir einladen können", sagt Spinger. Um der Community einen weiteren Anreiz zu bieten ins Theater zu gehen, gibt es sogenannte TheateragentInnen, die als VermittlerInnen fungieren. Sie selbst können kostenlos ins Theater und bis zu fünf Freunde mitbringen, die jeweils nur fünf Euro zahlen. Es gehe darum, Menschen niedrigschwellig fürs Theater zu gewinnen, die sich bisher noch nicht dafür interessiert haben, erklärt Spinger.

Die transkulturelle Spielzeit 23/24 endet in Osnabrück mit dem Festival "UWAGA!" vom 4.-9. Juni, bei dem Produktionen gebündelt gezeigt werden und Gastspiele sowie KünstlerInnen aus der Kulturszene Polens zu Gast sein werden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 30.11.2023 | 16:15 Uhr

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