Welttierschutztag: Welche Auswirkungen hat die Massentierhaltung?
Wie ist unser Verhältnis zu Tieren? Wo schützen wir sie? Wo beuten wir sie aus? Wo nutzen wir sie für unsere Zwecke? Ein Gespräch am Welttierschutztag mit der Tierethikerin Friederike Schmitz.
Frau Schmitz, die Tierethik ist noch eine relativ junge Wissenschaft. Was genau versteht man darunter?
Friederike Schmitz: Darunter versteht man den Versuch, zu Urteilen darüber zu gelangen, wie wir mit Tieren umgehen sollten. Was schulden wir ihnen? Haben sie Rechte? Dürfen wir sie benutzen? Alle diese Fragen werden da diskutiert.
Unsere Beziehung zu Tieren ist in der westlichen Gesellschaft im Wesentlichen von zwei Polen geprägt: Einerseits wissen viele Menschen, unter welchen Bedingungen Fleisch in Deutschland hergestellt wird - und trotzdem greifen sie zum Billigschnitzel im Discounter. Andererseits können wir in den sozialen Netzwerken eine Bewegung beobachten, die für eine pflanzenbasierte Ernährung wirbt - nicht nur, um Tiere zu schützen, sondern auch das Klima. Wie geht das aus ihrer Sicht zusammen?
Schmitz: Das sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Wir haben als Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten ein System geschaffen, in dem Tiere massiv ausgebeutet werden für die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern - in einem ganz anderen Maßstab als früher. Früher wurden sie auch ausgebeutet, aber nicht in diesen Zahlen. Das dringt immer mehr ins öffentliche Bewusstsein, wie schlimm das für die Tiere ist. Wenn man sich Recherchebilder und Fakten anschaut, haben wir die Hölle auf Erden geschaffen für viele Schweine, Hühner, Puten und andere Tiere. Das hat auch massive Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Als Reaktion darauf gibt es diese Gegenbewegung, die fordert, mit dieser Industrie Schluss zu machen und Landwirtschaft und Ernährung umzubauen.
Der Ausstieg aus der Tierindustrie ist auch einer Ihrer Schwerpunkte. Sie gehören auch dem Bündnis "Gemeinsam gegen die Tierindustrie" an. Was fordern Sie da? Was sind die dringendsten Schritte?
Schmitz: Es braucht politische Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und im Bereich Ernährung, um von dieser Industrie wegzukommen. Im Bereich der Landwirtschaft braucht es eine gerechte Transformation: Man muss es schaffen, die Landwirtinnen und Landwirte mitzunehmen und zum Beispiel mit Entschuldungs-, Entschädigungs- und Ausstiegsprogrammen tierhaltenden Betrieben den Umstieg auf eine Pflanzenproduktion oder andere Alternativen zu ermöglichen. Man muss Subventionen umschichten und Gesetze ändern. Das Ganze macht natürlich nur Sinn, wenn auch anders gegessen wird, wenn zum Beispiel die Produkte nicht importiert werden. Deswegen braucht es eine Ernährungspolitik, und da gibt es auch ganz viel, was man an den Ernährungsumgebungen machen kann: andere Angebote schaffen, die Gemeinschaftsverpflegung umstellen, die Preissituation verändern - Tierprodukte teurer machen, Pflanzenprodukte billiger.
Im Moment sieht es leider gar nicht danach aus, dass die Regierung solche Maßnahmen ergreifen will. Deswegen braucht es, bevor das möglich ist, eine stärkere soziale Bewegung, die das einfordert und da Druck erzeugt. Auch deswegen engagiere ich mich in diesem Bündnis.
Wie schwierig ist es denn, eine Grenze zu definieren, bis zu der wir gehen, wenn es eben um ethische Fragen geht im Umgang mit Tieren? Eine Grenze, die aufzeigt, bis wohin gehen wir Menschen im Umgang mit Tieren, wenn es um die Frage geht: Wo nutzen wir Tiere? Und wo ist dann aber auch Schluss, wenn es um unsere menschlichen Bedürfnisse geht?
Schmitz: Es stimmt, dass es irgendwann schwierig wird zu leben oder Landwirtschaft zu betreiben, wenn wir Tiere gar nicht einschränken oder schädigen wollen. Jeder Ackerbau muss zum Beispiel irgendwie mit den Schädlingen fertig werden. Aber ich glaube, es gibt sehr viele Schritte, die wir tun können, die einfach sind für Menschen. Wir können uns auch pflanzlich gesund, lecker und genussvoll ernähren. Das ist ein ganz klarer Fall, wo alle Gründe - die Tierethik, aber auch Umwelt- und Klimaschutz und globale Gerechtigkeit - dafür sprechen, Tiere nicht mehr in Mastanlagen, in Eierfabriken, in Milchbetriebe zu sperren und nachher zum Schlachthof zu fahren, sondern direkt Pflanzen anzubauen und die zu essen. Die Schädigungen, die dann noch übrig bleiben, kann man versuchen möglichst gering zu halten. Auch da kann man also viel ändern, um eine tierfreundlichere Pflanzenlandwirtschaft aufzumachen. Der größte Faktor ist tatsächlich die Tierindustrie, die Fleischindustrie und die Milch- und Eierindustrie selbst.
Sie sind ja Mitbegründerin des Vereins "Mensch Tier Bildung" - wofür setzt der sich ein? Ist da auch die Tierindustrie das Hauptthema?
Schmitz: Ja, das steht da auch im Vordergrund. Wir bieten Projekttage und Workshops für Gruppen von Kindern und Jugendlichen an, zum Beispiel zum Thema "Tiere in der Landwirtschaft". Da wollen wir darüber informieren, wie es Schweinen, Hühnern, Rindern, Puten und so weiter in der Landwirtschaft geht. Das machen wir auf eine kindgerechte Weise. Wir wollen auch nicht primär unsere Überzeugung den Kindern eintrichtern, sondern wir wollen, dass die Kinder und Jugendlichen anhand von Informationen und der Auseinandersetzung mit dem Thema in die Lage versetzt werden, eine eigene Haltung dazu zu entwickeln.
Das Gespräch führte Friederike Westermann.