Gil Ofarim lehnt an einer Hauswand © picture alliance/dpa | Tobias Hase Foto: Tobias Hase
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AUDIO: Der Fall Ofarim: Welche Lehren Medien aus dem Fall ziehen müssen (5 Min)

Der Fall Ofarim: Welche Lehren Medien aus dem Fall ziehen müssen

Stand: 29.11.2023 17:05 Uhr

Es war eine Lüge - und trotzdem haben viele darüber berichtet: Gil Ofarim wurde in einem Hotel in Leipzig nicht antisemitisch beschimpft. Konstanze Nastarowitz hat sich intensiv mit dem Fall beschäftigt - auch für das Medienmagazin ZAPP - und war beim Prozess dabei.

Bevor wir noch einmal auf das Verfahren schauen, blicken wir zurück: Dieser Fall ist medial extrem intensiv begleitet worden. Was machte gerade diesen Fall für so viele Medien so interessant?

Konstanze Nastarowitz: Ich glaube, zuerst ist es einfach eine total brisante Mischung gewesen. Man hatte da diesen Star, dann hatte man einen extrem großen Vorwurf: den Antisemitismus-Vorwurf. Vielleicht waberten auch noch ein paar Klischees über Ostdeutschland herum. Es hat sich ja in Leipzig zugetragen. Und dieses super emotionale Video, die Primärquelle, die ging, glaube ich, vielen auch sehr nah. Und er hat die Medien auch bedient. Er hat in den ersten Wochen selber noch Interviews gegeben. Das heißt, man hatte ganz viel Futter, mit dem man erst mal arbeiten konnte. Das war, glaube ich, für die Medien dann sehr interessant. Und später im Fall haben ja auch weitere Häppchen dazu beigetragen, dass die Berichterstattung weiter ging. Es gab Auszüge aus den Überwachungsvideos zu sehen, die dann Zweifel säten, ob er die Kette getragen hat. Es gab Einblicke in einen Kanzleibericht. Es gab also dann später die Zweifel, und man war eingeladen, mitzurätseln: Hatte er die Kette an? Hatte er sie nicht an? Hat er gelogen? Hat er nicht gelogen. Wir durften alle ein bisschen miträtseln.

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Jetzt wird darüber diskutiert, was da medial schiefgelaufen ist. Habt ihr in eurer Analyse eine Art mediale Vorverurteilung feststellen können?

Nastarowitz: Zumindest in den ersten Tagen würde ich das auf jeden Fall bejahen. Wir konnten schon sehen, dass die Nachricht unglaublich schnell in der Welt war und auch nicht immer so ganz vorsichtig im Konjunktiv, sondern dass es oft so klang, als wären die Anschuldigungen eigentlich schon gesichert. Und mir ist besonders zum Beispiel ein Schlagzeile der "Süddeutschen Zeitung" hängen geblieben, die schrieb "Grand Hotel Abgrund". Da schwingt das Urteil eigentlich schon mit, obwohl es zu dem Zeitpunkt auch schon die Gegenanzeige des Mitarbeiters gab, also man auch darüber hätte berichten können, dass es unterschiedliche Darstellungen dieses Vorfalls gibt. Später drehte sich das dann so ein bisschen, als es die Zweifel gegen Ofarim gab, aber am Anfang auf jeden Fall.

Welche Rolle spielten die Medien bei dem Prozess in Leipzig, den du ja auch verfolgt hat?

Nastarowitz: Wir mussten uns früh anstellen, weil wir Sorge hatten, dass es wenige Plätze gibt. Es gab keine Akkreditierungen. Es gab wirklich wahnsinnig viele Schlagzeilen, einen Liveticker des "Focus", der alle paar Minuten live berichtet hat, was gerade im Prozess passiert. Ich habe auch immer wieder von Kollegen und Kolleginnen gehört, die Klickzahlen sind einfach enorm hoch und das lädt natürlich dann auch ein, ganz viel dazu rauszuhauen.

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Also sehr voll war es im Gerichtssaal, höre ich da raus?

Nastarowitz: Exakt, gerade am Anfang. Es lichtete sich dann ein wenig, als der Prozess weiter ging.

Hat sich denn unter den Kollegen auch etwas wie Selbstkritik breitgemacht? Jetzt waren ja viele versammelt. Wie selbstkritisch sind die Kollegen miteinander und mit sich umgegangen?

Nastarowitz: Bei dem Prozess selber spielte das nicht mehr so eine große Rolle. Ich glaube, das war schon davor irgendwann der Punkt, wo man erste vorsichtige Artikel geschrieben hat, sich ein bisschen was eingestanden hat - gerade als die Anklage der Staatsanwaltschaft kam und dann offensichtlich war: Jetzt sieht der Fall ganz anders aus.

Und jetzt? Was können wir Medien aus so einem Fall lernen?

Nastarowitz: Ich finde, das Fazit darf nicht sein, dass wir über solche Fälle nicht mehr berichten. Ich glaube, wir müssen nur noch einmal schauen, wie wir darüber berichten. Es gibt Antisemitismus in Deutschland - das sollte auch nicht in Frage stehen. Aber man kann versuchen, sich ein Stück weit vielleicht ein bisschen mehr die Zeit zu nehmen, so etwas noch einmal gegen zu recherchieren und nicht bei jeder Nachricht ganz schnell aufzuspringen. Wenn man es doch machen muss - weil Nachrichtenjournalismus funktioniert eben auch so - dann im sauberen Konjunktiv und schauen, was eigentlich die Gegenseite sagt.

Konstanze Nastarowitz hat den Fall Ofarim für das NDR Nachrichtenmagazin ZAPP begleitet. Am Samstag wird der Beitrag bei YouTube und in der Mediathek von ZAPP veröffentlicht.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kultur | 29.11.2023 | 14:45 Uhr

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