Das Kapitell an der Kirche St. Andoche in Saulieu zeigt Judas' Selbstmord. © picture-alliance / akg-images Foto:  Herve Champollion

Judas der "Verlorene" - Gerettet vom guten Hirten

Stand: 11.04.2023 14:25 Uhr

Judas soll Jesus Christus verraten haben, erzählt die Bibel. Hat jemand Anteil am Schicksal des Apostels genommen? Gibt es auch einen Fürsprecher für diesen "Verlorenen"?

von Pastor Oliver Vorwald

Mit Hammer, Meißel und Herzen will er diese Geschichte weiterschreiben. Denn so darf sie nicht enden. Der Steinmetz schließt die Augen, streicht über das Relief. Dann klopft er weiter, arbeitet Judas heraus. Es wird sein zweites Bild über diesen Apostel, der sich selbst nach seinem Verrat an Jesus das Leben genommen haben soll. Und zwar völlig anders als das mit dem Strick. Es zeigt Hoffnung, zeugt von der Liebe Jesu zu diesem Mann. Im Mittelalter strömen die Menschen in die Basilika von Vézelay. Alle wollen das Judas-Kapitell sehen.

Doch der Reihe nach:

Da ging ... Judas Iskariot ... zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge. Matthäus 26,14-16 i.A.

Der Verrat von Judas ist Teil eines Heilsplans

Judas Iskariot, "Mann aus Kariot". Ein Dorf gleichen Namens hat es zurzeit Jesu südlich von Jerusalem gegeben. Judas gehört zu den ersten Jüngern, er ist einer der zwölf Apostel. Er schmeckt, wie Wasser zu Wein wird, lauscht den Seligpreisungen, staunt über die Stillung des Sturms. Im Osterzyklus verrät er Jesus für 30 Silbermünzen mit einem Kuss (Mk 14,44; Mt 26,48; Lk 22,47). Diese Rolle im Geschehen, eine Ursache für den sich später entwickelnden Antisemitismus. Unverständlich und falsch. Denn auch Petrus, Fels der Gemeinde, ist jemand, der Christus verleugnet hat. Die ersten Christen glauben an den Dienst eines Freundes. Der Verrat von Judas ist Teil eines Heilsplans. Nur so kommt es zur Auferstehung an Ostern.

Als Judas sah, dass [Jesus] zum Tode verurteilt war, reute es ihn, ... Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging fort und erhängte sich. Matthäus, 27,1-5 i.A

Der gute Hirte bringt Judas zu Gott in den Himmel

Der Strick um seinen Hals, die Augen vor Scham weit aufgerissen. Bei diesem Bild bleibt es nicht. Ein Steinmetz meißelt auf die andere Seite des Judas-Kapitells von Vézelay ein zweites Relief. Rund 1.000 Jahre ist das nun her. Es zeigt den guten Hirten, er trägt den toten Judas auf seinen Schultern zu Gott in den Himmel. Dieses Finale der Judas-Geschichte kennen die Evangelien nicht. Aber es ist ganz im Sinne Jesu. Schließlich ist Christus gekommen, um die Verlorenen zu retten.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 15.04.2022 | 09:15 Uhr

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