Zeitreise: Der Högerbau - die Geschichte des ehemaligen Soldatenheims

Sendedatum: 26.03.2023 19:30 Uhr

Vor und während des Ersten Weltkrieges war Hohenlockstedt ein großer Militärstandort. Das Höger-Haus am Truppenübungsplatz nutzten Rekruten in ihrer Freizeit als Soldatenheim. Nun lässt die Arthur-Boskamp-Stiftung das Gebäude wieder herrichten.

von Jonas Salto

Lange vor dem Ersten Weltkrieg, zur dänischen Zeit, war im heutigen Hohenlockstedt (Kreis Steinburg) noch eine riesige Heidelandschaft. Vor dem deutsch-dänischen Krieg gab es schon einen Truppenübungsplatz. Im Anschluss nutzte den die preußische Armee. Dem sogenannten Lockstedter Lager fehlte damals aber noch ein Soldatenheim. 1910 bekam Architekt Fritz Höger den Zuschlag, sein Entwurf des Heims wurde umgesetzt. Höger wurde später durch das Chilehaus in Hamburg berühmt.

Soldatenheim für die Freizeit

Archivfoto des Baues des Lockstedter Soldatenheims © . Foto: .
1911 fand das Richtfest für das Soldatenheim im Lockstedter Lager statt.

1911 war Richtfest des Klinkerbaus mit drei Flügeln. Das Soldatenheim hatte auch einen großen Festsaal. Die Decke war elf Meter hoch. Hier konnten die Soldaten auf eigene Kosten besser essen als bei der Truppen-Verpflegung. Doch günstig war das damals nicht. Einmal essen im Soldatenheim, das kostete so viel wie ein einfacher Soldat an Sold pro Tag erhielt. "Auf den alten Postkarten kann man das auch lesen. Die Soldaten schreiben dann an ihre Eltern: Alles ist teuer hier, bitte schickt Geld", erklärt Ulrike Boskamp. Sie beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte des Högerbaus - und die Stiftung, die sie leitet, restauriert seit 2019 das Gebäude.

Archivfoto der Speisekarte des Lockstedter Soldatenheims © . Foto: .
Teuer, aber gut: Blick in die Speisekarte für die Truppen-Verpflegung.

Damals dauerte die Ausbildung der Soldaten im Lockstedter Lager zwei Wochen. Vor und während des ersten Weltkriegs bildete das deutsche Kaiserreich die Soldaten hier vor allem an neuen Waffen aus. Die Rekruten lebten dabei in kargen Baracken rund um den Truppenübungsplatz. Im Soldatenheim konnten sie duschen. Es gab dort außerdem Leseräume mit Tageszeitungen, eine Kegelbahn und im Garten weitere Sportanlagen.

Finnen im Lockstedter Lager für den Bürgerkrieg ausgebildet 

Unter den Rekruten befanden sich auch Finnen. Denn Finnland gehörte bis Ende 1917 zum Zarenreich. Das deutsche Kaiserreich und Russland waren damals Kriegsgegner. Deswegen bildete die Heeresleitung im Lockstedter Lager auch finnische Soldaten aus. Sie kamen zum Teil als Pfadfinder getarnt nach Schleswig-Holstein. Finnland sagte sich 1917, nach der Revolution in Moskau, von Russland los - aber im Land brach ein Bürgerkrieg aus zwischen bürgerlichen und sozialistischen Kräften. Die in Lockstedt ausgebildeten finnischen Soldaten kämpften gegen finnische Bolschewisten. Heute hat die Gemeinde Hohenlockstedt mit Lapua in Finnland eine Partnergemeinde. Der ehemalige Bürgermeister von Hohenlockstedt, Bernhard Diedrichsen, führt immer wieder geschichtsinteressierte Finnen durch den alten Högerbau. An seine erste Führung mit drei finnischen Männern kann er sich noch sehr gut erinnern: "Als die dann den Fußboden gesehen haben, auf dem ihre Großväter getanzt haben, da kamen denen die Tränen. So ergriffen waren die."

Aus dem Soldatenheim wurde eine Kirche

Archivfoto der Kirche im Lokstedter Högerbau © . Foto: .
Der große Saal des alten Soldatenheims: Er diente vorübergehend als Gotteshaus.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs musste das Lockstedter Lager schließen. Das war so im Versailler Vertrag geregelt. Das Militär zog ab und der damals noch sehr kleine, zivile Teil des Dorfes wurde immer größer. Die Bewohner gründeten schließlich am 1. Juli 1927 die heute als Hohenlockstedt bekannte Gemeinde. Damals mussten sie zum Gottesdienst in das acht Kilometer entfernte Kellinghusen. Das wollten sie ändern. Der große Saal des alten Soldatenheims bot sich als Gotteshaus an. "Wir haben im Högerbau im Fußboden ein Dokument gefunden, was es im Kirchenarchiv gar nicht gibt. Von einer Versammlung von Menschen, die die eigene Gemeinde gründen wollten, am 1. März 1925. Gegründet wurde die Gemeinde dann erst später. Einen Pastor gab es ab 1928", erzählt Ulrike Boskamp. Von nun an heirateten die Hohenlockstedter im ehemaligen Soldatenheim, ließen ihre Kinder dort taufen und später zum Konfirmandenunterricht gehen. Erst 1962 verließ die Kirche den Högerbau.

Verschiedenste Verwendungen ab den 1970er-Jahren

Das ehemalige Soldatenheim bekam einen neuen Besitzer. Er ließ in den großen Saal eine Zwischendecke ziehen. Hier gab es später ab den 1980er-Jahren erst ein Kino, dann eine Disco. Im Lauf der Zeit wechselten immer wieder die Besitzer, sie verwendeten den Högerbau für unterschiedliche Dinge. Die traditionsreiche Villa wurde zum Gewerbe- und Wohngebäude und verfiel immer mehr. 2018 schließlich kaufte die Arthur-Boskamp-Stiftung das Gebäude. Das alte Soldatenheim sollte wieder genauso aussehen wie früher. Dafür investiert die Stiftung nach eigenen Angaben 7,5 Millionen Euro. Sie wollen in der noch zum Teil erhaltenen, alten Küche des Soldatenheims eine Gaststätte errichten. Außerdem sind im Gebäude ein Atelier und Wohnungen geplant. Im großen Saal, in dem einst die Soldaten gegessen und gefeiert hatten, sollen in Zukunft wieder die Hohenlockstedter feiern können.   

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 26.03.2023 | 19:30 Uhr

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