Studie zum Meeresspiegel: Fehmarn teilweise unter Wasser
Durch den Klimawandel steigen die Meeresspiegel. Die Auswirkungen auf die Küstenregionen hat ein Forscherteam visualisiert. Im schlimmsten Fall verschwindet auf Fehmarn ein ganzes Naturschutzgebiet.
Das Vogelreservat Wallnau auf Fehmarn ist Brutstätte für mehr als 60 Vogelarten und Lebensraum für Amphibien. Das Areal liegt unterhalb des Meeresspiegels. Nur der Deich hindert die Ostsee daran, das Naturschutzgebiet zu fluten. Der wissenschaftliche Leiter Martin Altemüller hat in 26 Jahren schon drei schwere Hochwasser miterlebt. 2006 wäre der Deich fast gebrochen und auch 2017 und 2019 konnte er nur mit Sandsäcken gerettet werden. Altemüller wohnt selbst in dem Naturschutzgebiet und hat für Flutschäden im Ernstfall bereits 300.000 Euro zur Seite gelegt.
Sorge um die Artenvielfalt
Sorgen macht sich der Naturschützer auch um die Tiere im Vogelreservat. Lediglich die Vögel seien von einer Überflutung kaum betroffen. Sie können sich laut Martin Altemüller in der Umgebung neue Brutplätze suchen. Anders sieht es bei den Amphibien aus. Sie sind auf Süßwasser angewiesen. "Einige Krötenarten vertragen das Salzwasser nicht. Sie würden aussterben, falls das Gebiet überschwemmt wird", erklärt Altemüller. Seine Sorge: "Wenn die Meeresspiegel steigen, steigt auch die Basis für die Hochwasser." Den Deich könne man nicht mehr erhöhen. Zu schmal sei das Vorland.
Studie verdeutlicht die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs
Ein Forschungsteam der HafenCity Universität (HCU) um Caroline Schuldt zeigt mit seinen Ergebnissen, was der Anstieg der Meeresspiegel für die Küstenregionen im Land genau bedeutet. Zum ersten Mal wurden dabei auch die regional unterschiedlichen Wasserstände mit einbezogen. Auch wenn die vielen Steilküsten einen natürlichen Schutz bieten, gibt es Gebiete - wie die Westküste Fehmarn - die akut von einem Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind.
Drei simulierte Klimaszenarien - mit und ohne Deichbruch
Der Klimarat Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat im Mai dieses Jahres seinen sechsten Sachstandbericht zur Erderwärmung vorgestellt. Das wissenschaftliche Gremium der Vereinten Nationen stellt Ursachen, Folgen und Risiken des Klimawandels dar. Anhand dieser Daten geht das Forschungsteam der HCU von drei verschiedenen Szenarien für den Anstieg der Meeresspiegel aus. Im gemäßigten Szenario simuliert die Studie einen Anstieg an der Ostsee um 47 Zentimeter bis 2100. Werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um Emissionen zu sparen, könnte der Meeresspiegel der Ostsee sogar um 70 Zentimeter steigen. In einem dritten Worst-Case-Szenario rechnet das Forscherteam in der Studie mit einem Anstieg um 140 Zentimeter. Davon gehen einige Experten, aufgrund von schmelzenden Gletschern in der Antarktis aus. Neben den drei verschiedenen Klimaszenarien untersuchten die Forscherinnen und Forscher auch die Unterschiede zwischen der Annahme eines standhaltenden Küstenschutzes und eines Deichbruchs.
- Szenario 1: Anstieg um 47 Zentimeter bei standhaltendem Küstenschutz
Bei der gemäßigten Prognose würden beispielsweise weite Teile im Norden und Westen Fehmarns unter Wasser stehen. Vom Naturschutzgebiet Wallnau wäre nichts mehr übrig. Auch die Halbinsel Graswarder vor Heiligenhafen würde die Ostsee verschlucken. Der große Binnensee bei Hohwacht hätte direkten Zugang zum Meer.
- Szenario 2: Anstieg um 70 Zentimeter bei standhaltendem Küstenschutz
Das zweite Szenario würde die Lage bei Kellenhusen dramatisieren. Die Ortschaft Guttau ist heute noch fast vier Kilometer vom Strand entfernt. Laut Simulation stünden Teile von Guttau 2100 schon unter Wasser.
- Szenario 3: Anstieg um 140 Zentimeter bei standhaltendem Küstenschutz
Bei der pessimistischsten Prognose wären zum Beispiel Teile der Lübecker Innenstadt betroffen. Die Wallhalbinsel und das Ufer der Altstadt. Beim Truppenübungsplatz Putlos würde sich das Meer seinen Weg bis nach Oldenburg bahnen. Auch das Vorland zwischen Rettin und Pelzerhaken wäre Teil der Ostsee.
Lübeck ergreift schon jetzt Maßnahmen
Angesichts solcher Prognosen selbst bei standhaltendem Küstenschutz nimmt die Stadt Lübeck seit Sommer 2021 an einem Forschungsprojekt zum steigenden Meeresspiegel teil. Dort werden Hochwasserrisiken und mögliche Anpassungsmaßnahmen untersucht. Lübeck ist durch die dichte Bebauung und den Trichtereffekt der sich verengenden Trave Richtung Innenstadt schon jetzt durch Hochwasser gefährdet.
Auch Bund und Land wollen ihre Bemühungen verstärken. Schleswig-Holstein hat in den vergangenen zehn Jahren rund 740 Millionen Euro für Küstenschutz ausgegeben. Vor allem Deiche wurden verstärkt und erhöht. Der Bund will seine Mittel für Küstenschutz an Nord- und Ostsee in Folge des Klimawandels verdoppeln - auch dabei geht es vor allem um die Verstärkung der Deiche.