Meeresspiegel steigt: "Wir werden massiven Küstenschutz brauchen"

Stand: 29.09.2022 11:05 Uhr

Beim ExtremWetterKongress haben Arved Fuchs und Wissenschaftler am Donnerstag Ergebnisse des Projekts "Ocean Change" vorgestellt. Die Forschungsreihe beschäftigt sich seit 2015 mit den Veränderungen in den Ozeanen und deren Auswirkungen auf die Küstenlandschaften.

von Anina Pommerenke

Es sind beeindruckende Bilder, die Arved Fuchs von seinen Reisen mitbringt. Eisberge in türkisblauem Wasser und Drohnenflüge über Grönlands Gletscher. Erst vor wenigen Tagen ist die "Dagmar Aaen", ein historischer Holz-Fischerkutter, samt Crew am Flensburger Museumshafen eingelaufen. Der Polarforscher ist seit mehr als 40 Jahren in den Polarregionen der Welt unterwegs. Unbeabsichtigt sei er so zum Zeitzeugen des Klimawandels geworden, sagt Fuchs.

Arved Fuchs: "Klimawandel ist mit bloßem Auge zu sehen"

Arved Fuchs an Deck seines Segelschiffs "Dagmar Aaen". © dpa Bildfunk Foto: Axel Heimken
Arved Fuchs ist seit Jahrzehnten auf den Meeren unterwegs, wo er wichtige Daten für die Klima- und Ozean-Forschung sammelt.

Besonders bedrohlich sei beispielsweise die Situation an der Nordküste Alaskas, sagt Fuchs. Dort gebe es seit 4.000 Jahren Siedlungen auf Permafrost-Boden - also auf Boden, der dauerhaft gefroren ist. "Diese Siedlungen werden wegerodiert durch das Meer, weil der Permafrost-Boden auftaut", mahnt Fuchs. Diese Botschaft überbringt er auch auf dem ExtremWetterKongress in Hamburg. Für die aktuelle Etappe seiner Forschungsreisen ging es unter anderem rund um Island und an die Ostküste Grönlands. Sein Segelschiff ist mit High-End-Messtechnik ausgestattet und überliefert permanent per Satellit Daten: Die meisten Werte stammen von der Oberfläche des Ozeans und der Atmosphäre direkt darüber: Temperatur, Luftdruck, Windgeschwindigkeiten, Salzgehalt und der Kohlendioxid-Anteil im Meerwasser.

Fuchs beteiligt sich an dem Projekt, weil er überzeugt ist, dass die Problematik des Klimawandels nicht hinter verschlossenen Türen diskutiert werden dürfe. Er will die Bevölkerung mitnehmen, unter anderem mit Bildern von seinen Reisen und einem Podcast.

Ozeane speichern etwa 90 Prozent der Wärme

Die Daten, die auf den Expeditionen von Arved Fuchs und seinem Team zusammenkommen, werden von Wissenschaftlern ausgewertet - unter anderem von Johannes Karstensen. Er arbeitet als Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die neuen Daten bestätigen, dass das Oberflächenwasser in den zurückliegenden hundert Jahren im Mittel um ein Grad wärmer geworden ist. Daraus kann Karstensen schließen, dass auch der Ozean insgesamt wärmer geworden sein muss. Die Ozeane würden außerdem etwa 90 Prozent der Wärme von menschlichen Aktivitäten speichern: "Wenn wir keinen Ozean hätten, wäre es also deutlich wärmer in der Atmosphäre", erläutert der Forscher. Die Ozeane spielen also eine enorm wichtige Rolle in unserem Klimasystem.

Ozean-Erwärmung bringt viele Probleme mit sich

Die Erwärmung des Ozeans habe viele gravierende Folgen, mahnt Karstensen beim ExtremWetterKongress. Nicht nur Fische seien bedroht, weil sie eine niedrige Toleranz bei Temperatur-Schwankungen haben. Durch die Erwärmung dehne sich das Meerwasser aus, wodurch der Meeresspiegel ansteige. "Und dann ist da auch der andere Effekt: das Abschmelzen von Gletschern." Eine Simulation des prognostizierten Anstiegs des Meeresspiegels von der HafenCity Universität Hamburg zeigt, das selbst bei einem gemäßigten Szenario im Jahr 2100 knapp 9.000 Quadratkilometer Land überflutet werden könnten - insbesondere entlang der niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Nordsee-Küste. Sollten auch das Inlandeis Grönlands und der Antarktis sowie der Permafrost weiter schmelzen, könnten es mehr als 10.000 Quadratkilometer werden.

Massiver und teurer Küstenschutz nötig

Für Karstensen ist klar, dass sehr guter Küstenschutz betrieben werden müsse. Der Effekt der Erwärmung, des Meeresspiegel-Anstiegs, der auch mit zunehmenden Stürmen und Sturmfluten einhergeht, den könne man nicht einfach aufhalten.

Auch andere Kollegen haben keine besseren Nachrichten: Einen Rekord-Verlust für Schweizer Gletscher meldet Matthias Huss mit brandneuen Daten, der aus Zürich zugeschaltet ist. Auch in Österreich und Deutschland sieht es bei der Gletscher-Schmelze in Folge von Trockenheit und Sahara-Staub nicht besser aus. Bedrückende Erkenntnisse, resümiert Frank Böttcher, Moderator und Veranstalter des Kongresses. Er und die anwesenden Fachleute hoffen, dass die dramatischen Appelle von den richtigen Leuten gehört werden.

Weitere Informationen
Ein interaktiver Globus beim Extremwetterkongress in Hamburg. © picture alliance / dpa

Extremwetterkongress in Hamburg: Intensive Hitzewellen nehmen zu

Rund 100 Experten diskutieren bis Freitag im Maritimen Museum über Wetterereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel. mehr

Das Forschungsschiff "Polarstern" fährt auf mit Eisschollen bedecktem Wasser. © Alfred-Wegener-Institut

Klimawandel: "Polarstern" kehrt von Arktis-Expedition zurück

Das Forschungsschiff des AWI beendet seine siebenwöchige Reise nach Grönland (16.08.2022). mehr

Bei einer Klimastreik-Demo in Hamburg hält ein Junge eine Erdkugel, die weint. © Marcus Brandt/dpa

Der Klimawandel und der Norden

Die weltweite Klimakrise trifft auch Norddeutschland. Wie kann die Energiewende gelingen? Welches sind die besten Lösungen? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 28.09.2022 | 21:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Meer und Küste

Mehr Nachrichten

Jugendliche mit Koffern am Hamburger Hauptbahnhof. © picture alliance Foto: Bodo Marks

Hamburgs Schüler sollen kostenloses Deutschlandticket bekommen

Die rot-grünen Pläne sehen vor, dass Hamburgs Schüler bald gratis in Regionalzügen und Bussen unterwegs sein können - und das nicht nur im HVV-Bereich. mehr