Teilnehmer einer E-Bike-Safari genießen den Sonnenaufgang in der Lüneburger Heide. © dpa-Bildfunk Foto: Philipp Schulze

Kolumne: Einmal einen Gang hochschalten, bitte!

Stand: 30.03.2024 10:00 Uhr

Mit dem ersten Sonnenschein kommen auch die rasenden Radler aus der Versenkung. Eigentlich gesund für Umwelt und Körper ist E-Radfahren gar nicht so ohne. Unsere Kolumnistin schaut sich das Phänomen E-Bike und seine Nutzer mal genauer an.

von Stella Kennedy

Sie sind lautlos, gerne zu zweit, gerne in Funktionskleidung im Partnerlook: die E-Biker. Anders als die auf ihren im Vergleich fragilen Drahtesel unschuldig daher strampelnden Bio-Radlern (wie das traditionelle Fahrrad in E-Bike-Kreisen genannt wird), sind Elektroradler die Königinnen und Könige des Radweges. Zumindest fühlen sie sich so. Früher noch im frisch gewienerten Mercedes mit Wackeldackel über die Autobahn, brausen sie jetzt klingelnd über die Wege und hinterlassen Schrecken - und manchmal den Duft nach Altherren-Aftershave. Wobei die wirkliche Gefahr der Pedelecfahrer, wie es korrekterweise heißt, in der Selbstzerstörung liegt, aber dazu später mehr.

 

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NDR Reporterin Stella Kennedy. © NDR Foto: Daniela Vagt

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"Hast du mal auf Turbo gestellt?"

Ein Freund erzählt gern die Geschichte, wie er morgens im Bett lag und durchs geöffnete Fenster zwei Radler überhörte, die vorbeifuhren. "Bärbel", brüllte der eine seiner mutmaßlichen Gattin zu: "Hast du mal auf Turbo gestellt? Das kann man ja kaum noch halten!". Der Turbogang des E-Bikes: das neue Gas geben. Und auch die Diagnose "Bleifuß" hätten viele Pedelec-ler verdient. Darunter leiden tun dann die Küstenstädtchen-Bewohner, die erzählen, ihre Heimat mutiere im Sommer zur "E-Bike-Hölle", in der jeder Spaziergang zum Spießrutenlauf werde. Dabei sind genau jene selbst gefährdet, die eigentlich in ihrem Ruhestand nach Ruhe suchten.

Die Sache mit der vermeintlichen Sicherheit

Gerade die älteren Elektrobiker sind überdurchschnittlich häufig in schwere Unfälle involviert. 40 Prozent der Pedelec-Unfälle gehen auf das Konto von Ü-65-Jährigen, so der Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2021. Das ist schlimm. Nicht nur, weil es die ohnehin Vulnerablen so schwer trifft (was sich natürlich bedingt). Auch, weil das Thema Sicherheit gerade für diese Generation ein so wichtiges ist.

Zwar können sich nicht alle von ihrer Rente ein E-Bike, das auch gerne 2.000 Euro und mehr kostet, leisten. Doch bei einigen ist die Rente sicher, die Ernährung cholesterinarm, die Gesundheitsschuhe eingelaufen und als krönenden Abschluss gibt’s dann das Pedelec mit feinem Bosch-Motor. Nichtsahnend betreten die Herrschaften damit eine gefährliche Welt. Normalerweise scheint nämlich gerade der Hauptvorzug des Alterns seine monotone Vorhersehbarkeit zu sein. Längst ist man raus, aus den Adrenalin befeuerten Jugendjahren, längst sind die Hürden der mittleren Jahre bezwungen. Und nun das.

 

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Von der Utopie träumen

Dabei sind E-Bikes so gut! Wer Natur erlebt - auch vom Radweg aus - der schützt sie. So zumindest die Hoffnung. Zwar wird der durchschnittliche Porsche-Cayenne-Fahrer nicht aufs Pedelec umsteigen, aber ansonsten steigen die Nutzerzahlen rapide an. Denn ja, wenn man wählen könnte zwischen Innenstädten voller Autos, oder Menschen auf E-Bikes, die Entscheidung fiele leicht. Was jetzt gebraucht wird, ist bessere Infrastruktur. Lange schon fordern Fahrradlobby und Umweltverbände die Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Und genau da muss der Druck auch ausgeübt werden, nicht auf den ohnehin von Ischias geplagten Rücken der Pedelecfahrer, wie momentan so oft gelesen.

Würde politisch reformiert, wäre nämlich der wortwörtliche Weg frei für die Kommunen, den Fuß-, Rad- und Nahverkehr auszubauen und dafür zu sorgen, dass für alle mehr Platz ist. Für die Radel-Rentnerinnen, die Rüpel-Radler, die Kampfradlerinnen, die Fahrradrowdies und natürlich, die Bio-Radlerinnen. Für mehr Diversität und friedliche Koexistenz auf den Radwegen! Und bitte schön sparsam mit dem Turbogang, liebe Elektrobiker!

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