Energiekrise und Personalmangel: Zahl der Bäckereien nimmt ab

Stand: 24.04.2023 11:39 Uhr

Die Bäckereien in Schleswig-Holstein haben mit der Energiekrise und Personalmangel schwer zu kämpfen. Trotzdem sieht die Branche Chancen: 2022 gab es mindestens 15 Neugründungen im Land.

von Jörn Zahlmann

Das befürchtete große Bäckereisterben ist im vergangenen Jahr zwar ausgeblieben, die Tendenz ist dennoch ernüchternd: In Schleswig-Holstein haben im vergangenen Jahr 4,5 Prozent aller im Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks organisierten Bäckereien aufgegeben. Die Zahl der Betriebe schrumpfte von 245 auf 234. In dem Verband sind rund 60 Prozent aller Bäcker organisiert. "Es haben zwar 26 Betriebe geschlossen, aber dafür gab es auch 15 Neugründungen in Schleswig-Holstein. Das macht uns Mut", sagt Jan Loleit, Geschäftsführer der Bäcker- und Konditoren-Vereinigung Nord.

Wirtschaftliche Situation hat sich verschlechtert

Bäcker stehen in der Backstube. © Frank Goldenstein Foto: Frank Goldenstein
Norddeutsche Bäckereien rechnen für das laufende Jahr mit bis zu 40 Prozent höheren Energiekosten als noch 2021.

Mut mache außerdem, dass die Kunden spürbar mehr Wert auf qualitativ hochwertige Produkte legen würden, so Loleit. Allerdings seien die gestiegenen Energiekosten bei vielen Betrieben aufgrund alter Verträge noch gar nicht angekommen. In einer Umfrage der Innungsbäckereien in ganz Norddeutschland gaben die Betriebe an, dass sie für das Jahr 2023 durchschnittlich mit 20 bis 30 Prozent höheren Energiekosten als 2021 planen. Bei knapp der Hälfte der Betriebe hat sich die wirtschaftliche Situation im vergangenen Jahr verschlechtert. An der Umfrage haben 186 norddeutsche Betriebe teilgenommen, darunter 70 aus Schleswig-Holstein.

Verband: Mehrweg-Angebote kaum genutzt

Die Betriebe in Schleswig-Holstein kritisieren die aus ihrer Sicht immer höheren bürokratischen Hürden und die Vielzahl neuer Vorschriften. Dazu zählt auch die seit dem 1. Januar geltende Mehrwegpflicht. "Die Bäckereien mussten das Pfandbechersystem eines Dienstleisters oder ein eigenes System installieren. Das Kundeninteresse liegt im Moment aber nur bei rund zwei Prozent, wie eine Befragung unserer Mitglieder gezeigt hat", sagt Loleit. Für die Betriebe bedeute das Mehrkosten und einen hohen organisatorischen Aufwand. Mehrweg werde erst dann wirklich zur Müllvermeidung beitragen, wenn Einwegbecher gesetzlich verboten werden, argumentiert der Verband.

"Wer nicht investiert hat, wird es schwer haben"

Ein Bäcker steht in der Backstube. © Frank Goldenstein Foto: Frank Goldenstein
Tim Lessau führt die Braaker Mühle - und erklärt sein Handwerk unter anderem in einem Podcast.

Tim Lessau, Chef des Bäckereiunternehmens Braaker Mühle im Kreis Stormarn, sieht trotz Energiekrise und stark gestiegener Rohstoffpreise viele Chancen für sein Handwerk: "Wichtig ist, dass man gerade in den vergangenen drei Jahren nicht stehen geblieben ist, trotz der Corona-Krise. Wer nicht investiert hat, wird es schwer haben", sagt Lessau. Viel mehr Menschen als noch vor zehn Jahren würden etwa beim Bäcker frühstücken. Nach dem Wegfall der Corona-Kontaktbeschränkungen sei ein gemütliches Ambiente in den Backstuben wichtiger denn je.

Braak: Drive-In und Handwerk im Podcast

Und, so Lessau: Bäckereien müssten kreativer werden, mehr Mut haben Dinge auszuprobieren. Schon seit knapp zehn Jahren gibt es zum Beispiel den Back-Drive in Braak, also ein Drive-In zum Brötchen holen. Und auf Social Media stellt Lessau sein Handwerk in dem Podcast "Brotale Bäcker" vor. Das helfe auch gegen den Personalmangel: "Mir ist wichtig, dass die Menschen genau wissen, was wir machen und warum. Das Interesse ist da."

Tausende unbesetzte Stellen in Norddeutschland

Der Personalmangel gehört zu den drängendsten Problemen der Branche. Die Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord vermeldet mehr als 1.600 unbesetzte Ausbildungsstellen in den Bereichen Verkauf und Produktion für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Das führt bei vielen Bäckereien zu kürzeren Öffnungszeiten und einem Umsatzverlust, in Einzelfällen auch zu Filialschließungen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.04.2023 | 17:00 Uhr

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