Missbrauchsstudie: Mehr als 400 Betroffene im Bistum Osnabrück

Stand: 02.10.2024 21:23 Uhr

Die Universität Osnabrück spricht im Abschlussbericht zu sexualisierter Gewalt im dortigen Bistum von mehr als 400 Betroffenen. Das Bistum Osnabrück will sich erst in einer Woche öffentlich zu Wort melden.

Der Abschlussbericht zeige das quantitative Ausmaß der sexualisierten Gewalt im Bistum Osnabrück, sagte Susanne Menzel-Riedl, Präsidentin der Universität Osnabrück, bei der Vorstellung des Abschlussberichts am Mittwoch. Von 1945 bis zur Gegenwart ermittelten die Autorinnen und Autoren demnach 122 Priester und Diakone, denen Gewalt an 349 Betroffenen vorgeworfen wird. Mindestens zu 60 weiteren Betroffenen lägen konkrete Hinweise vor, hieß es. Über diese Zahl hinaus sei von einem großen Dunkelfeld an Taten und Betroffenen auszugehen. "Die höchste Schätzung liegt beim Zehnfachen dieser Zahl", sagte der Projektleiter und Rechtswissenschaftler Hans Schulte-Nölke am Mittwoch und bezog sich dabei auf die mehr als 400 Betroffenen.

Von Distanzverletzung bis zu schwersten Sexualstraftaten

Die den Priestern und Diakonen vorgeworfenen Taten würden ein breites Spektrum von sexualisierter Gewalt umfassen, sagte Schulte-Nölke. Dies reiche von Distanzverletzungen bis hin zu schweren und schwersten Sexualstraftaten. Das Bistum habe seine Pflichten, Maßnahmen gegen verdächtige Kleriker zu ergreifen, über lange Zeit erheblich verletzt, hieß es bei der Vorstellung des Abschlussberichts weiter. In der Zeit der Missbrauchsvorfälle waren laut dem Abschlussbericht im Bistum rund 3.000 Kleriker eingesetzt worden. Der Anteil der Beschuldigten liegt demnach bei 4,1 Prozent. Dieses Ausmaß entspreche den Befunden in anderen deutschen Bistümern sowie auch im Bistümern im Ausland, sagte Schulte-Nölke.

Forscher: "Lernkurve" bei Bistum erkennbar

Gegenüber dem Zwischenbericht sehen Forscherinnen und Forscher aber auch eine Verbesserung. In Bezug auf die Pflicht, Betroffenen zu helfen, sei im Bistum Osnabrück "eine Lernkurve erkennbar, die nach oben zeigt", sagte Schulte-Nölke. Die an die Betroffenen erbrachten Leistungen würden allerdings noch hinter dem zurückbleiben, was staatliche Gerichte in klaren Fällen zusprechen würden. Zudem habe das Bistum die Pflicht, Maßnahmen gegen verdächtige Geistliche zu ergreifen, über lange Zeit deutlich verletzt, so der Projektleiter. In jüngster Zeit habe es aber eine Besserung gegeben.

Nach Zwischenbericht trat Bischof von Osnabrück zurück

Bereits nach der Veröffentlichung der Zwischenergebnisse im September 2022 hatte die Missbrauchsstudie für Diskussionen im Bistum Osnabrück gesorgt. Es hatten sich daraufhin nicht nur weitere Betroffene bei den Forschenden gemeldet: Ein halbes Jahr später, im März 2023, war Franz-Josef Bode zurückgetreten. Er war seit 1995 Bischof in Osnabrück. In dem öffentlich zugänglichen Bericht wurden insgesamt 68 Betroffene und 35 Beschuldigte im Zeitraum von 1946 bis 2015 identifiziert. Inzwischen sind einige Textstellen geschwärzt worden, weil möglicherweise Rechte benannter Personen verletzt wurden. Die finale Veröffentlichung sollte sich mit den systemischen Ursachen und den Pflichtverletzungen von Kirchenverantwortlichen beschäftigen.

Ein Messdiener schwenkt Weihrauch. © picture alliance /dpa Foto: Rolf Vennenbernd
AUDIO: Welche Folgen hat die Missbrauchsstudie im Bistum Osnabrück? (8 Min)

Bistum äußert sich erst eine Woche später

Mittlerweile hat das Bistum Osnabrück einen neuen Bischof: Dominicus Meier. Die Kirche und der Bischof hatten nach Angaben des Bistums vor der Veröffentlichung keinen Einblick in den Abschlussbericht bekommen. Er führe die Dimension des Grauens noch einmal vor Augen, sagte Bischof Dominicus laut einer Mitteilung. Der amtierende Bischof will demnach Rücksprache mit Fachleuten und Betroffenen halten und eine "gründliche Auswertung" des Abschlussberichts vornehmen. In der kommenden Woche will er eine ausführliche Stellungnahme dazu abgeben.

Bistum bietet Gesprächsmöglichkeit an

Das Bistum Osnabrück hat eine Telefon-Hotline zu dem Abschlussbericht eingerichtet unter der Telefonnummer (0541) 31 87 95 eingerichtet. Ziel sei es damit, Menschen eine Gesprächsmöglichkeit zu bieten, hieß es. Laut Bistum nehmen in der Seelsorge erfahrene Ansprechpartner die Anrufe entgegen und vermitteln sie bei Bedarf an andere Experten weiter.

Bistum Osnabrück: Sprechzeiten der Telefon-Hotline

  • Mittwoch von 11 bis 19 Uhr
  • Donnerstag von 9 bis 19 Uhr
  • Freitag von 9 bis 19 Uhr
  • Kommenden Mittwoch von 11 bis 19 Uhr
  • Kommenden Donnerstag von 9 bis 19 Uhr

Evangelische Kirche mit eigener Studie

Anfang des Jahres hatte auch die evangelische Kirche eine Missbrauchsstudie veröffentlicht. Eine unabhängige Forschungsgruppe listete bundesweit mindestens 2.225 Betroffene von sexualisierter Gewalt auf. Die Veröffentlichung sorgte für eine kircheninterne Debatte zwischen Gemeinden und dem Landesvorstand.

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Hallo Niedersachsen | 02.10.2024 | 19:30 Uhr

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