Angriff auf Ukraine könnte Gaspreis massiv steigen lassen
Der Angriff Russlands auf die Ukraine wird auch Folgen für Wirtschaft und Verbraucher in Niedersachsen haben. Der Oldenburger Energieversorger EWE geht von deutlich höheren Gas- und Strompreisen aus.
"Ich will Preiserhöhungen nicht ausschließen", sagte Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender des fünftgrößten deutschen Energiekonzerns. Und zum Zeitpunkt des Interviews waren die aktuellen Entwicklungen von heute Morgen noch gar nicht absehbar. Dohler verwies darauf, dass sich die Einkaufspreise für Gas an den Märkten binnen eines Jahres bereits vervierfacht hätten. Das werde auch die EWE an die Kunden weitergeben müssen, so Dohler. Wie sich die Preise nun nach dem Angriff auf die Ukraine weiter entwickeln, ist völlig unklar. Der EWE-Chef hatte bereits im Vorfeld gewarnt, dass es sehr teuer werden könnte, sollte die Situation eskalieren und jegliche Gasimporte aus Russland gekappt werden. Dann müsste alles Gas auf dem Weltmarkt gekauft werden. "Das würde eine Preisexplosion geben", warnte der EWE-Chef.
Flüssiggas-Importe auch Thema im Landtag
Der Niedersächsische Landtag debattierte am Donnerstag über den Import von Flüssig-Erdgas (LNG). Die FDP-Fraktion hatte eine entsprechende Dringliche Anfrage eingebracht. Vor dem Hintergrund gestiegener Gaspreise dringen die Liberalen auf die Einfuhr von Flüssig-Erdgas. Der Gas-Vorrat ist nach Ansicht der FDP derzeit nicht ausreichend gesichert. Die Landesregierung bekräftigte das Vorhaben, bei der Gasversorgung weniger abhängig von Russland werden zu wollen. "Das Land Niedersachsen wird natürlich selber keine Terminals bauen", sagte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) im Landtag. "Aber wir werden gemeinsam mit Investoren die Voraussetzungen für eine größere Unabhängigkeit Niedersachsens und Deutschlands von russischem Gas schaffen müssen. Ohne das wird es nicht gehen."
Planung für erstes LNG-Terminal auf der Zielgeraden
Energieminister Olaf Lies (SPD) erklärte, das Land habe den Aufbau einer Infrastruktur für den LNG-Import auch vor der Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts schon unterstützt. Die finale Entscheidung für den Bau von Terminals müssten aber Unternehmen treffen. In Stade befinden sich diese Pläne derweil auf der Zielgeraden. Die Hanseatic Energy Hub will bis zum Sommer die Antragsunterlagen für Deutschlands erstes LNG-Terminal in Stade-Bützfleth einreichen.
Deutschland greift auf niedersächsische Gas-Speicher zurück
Niedersachsen spielt bei der Erdgas-Versorgung bundesweit eine wichtige Rolle: Es ist als Deutschlands Förder-, Import- und Transitregion maßgeblich an der unterirdischen Speicherung von Erdgas beteiligt, derzeit mit etwa 50 Speichern. Der russische Gaskonzern Gazprom hat seine Lieferungen zuletzt deutlich zurückgefahren. Allein der größte Erdgasspeicher in Rehden (Landkreis Diepholz) der russischen Gazprom-Tochter Astora ist nur noch zu etwa 3,6 Prozent gefüllt. In den letzten Jahren war er noch zu 60 bis 90 Prozent ausgelastet. Ab Oktober 2020 änderte sich dies, das Volumen sank. Niedersachsens Wirtschaftsminister Althusmann (CDU) hatte am Mittwoch in NDR-Interview gesagt: "Ich sehe im Moment, da sich der Winter dem Ende zuneigt, noch keine Gefahr für die privaten Haushalte". Allerdings würden die Erdgasreserven "inzwischen auch indirekt als Waffe eingesetzt, um den Westen zu erpressen". Das sei ganz offensichtlich, so der CDU-Politiker. Bundesweit sind die Erdgas-Speicher derzeit zu etwa 31 Prozent gefüllt - eine ähnliche Auslastung wie zu einem vergleichbaren Zeitpunkt im vergangenen Jahr.
Mehr aus Niederlanden und Norwegen
"Im Zweifelsfall müssen wir stärker aus den Niederlanden, Norwegen oder anderen Ländern importieren, um die Erdgasversorgung in Deutschland zu sichern", sagte Wirtschaftsminister Althusmann. Im Nordwesten Niedersachsens kommt das meiste Erdgas jetzt schon bereits aus den Niederlanden. Allerdings heißt es insgesamt in der Branche: Es geht nicht lange ohne russisches Gas. 55 Prozent des deutschen Erdgases kommen aus Russland. Wenn dieser Hahn zugedreht wird, dann könnte es mittelfristig eng werden.
EWE-Speicher sind voller als im Vorjahr
Noch hat die Oldenburger EWE, Deutschlands fünftgrößter Energieversorger, in ihren Speichern allerdings mehr Gas als im Vorjahr. Zudem kann sich kaum ein Energieexperte momentan vorstellen, dass Russland nicht mehr liefert. Bislang liefert das Land zuverlässig und vertragsgemäß. Auch der Erdgaspreis auf den Großhandelsmärkten ist seit Tagen nur sehr moderat gestiegen.
LNG-Flüssiggas als Alternative
Auch um sich von russischem Gas unabhängiger zu machen, steht in Deutschland immer häufiger LNG-Flüssiggas als Alternative zur Debatte. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten verfügt Deutschland bisher über kein eigenes Terminal, an dem verflüssigtes Erdgas angelandet werden könnte. Doch derzeit werden die Pläne für Deutschlands erstes Flüssiggas-Terminal in Stade konkreter: Bis zum Sommer will die Hanseatic Energy Hub die Anträge für das milliardenschwere Projekt einreichen.
