Anglerverband: Fischsterben 2023 war Folge von Starkregen

Stand: 04.04.2024 13:42 Uhr

Tausende Fische sind im Sommer 2023 an Sauerstoffmangel gestorben. Der Anglerverband Niedersachsen übt Kritik: Keine Behörde habe sich zuständig gefühlt. Der Verband hat nun auf eigene Kosten einen Bericht erstellt.

von Tabea Pander

Ralf Behrens füllt seinen Eimer mit Wasser aus der Bade bei Zeven (Landkreis Rotenburg) und misst: 8,6 Milligramm Sauerstoff pro Liter. Vor acht Monaten sahen die Ergebnisse hier noch ganz anders aus. Teilweise habe das Wasser gar keinen Sauerstoff mehr gehabt, berichtet der Gewässerwart des Angelsportvereins Badenstedt-Bademühlen. "Sämtliche Fischarten, die wir hier etabliert hatten - wir hatten hier 16 Fischarten - sind alle gestorben", erzählt der Vorsitzende Hans-Peter Wennholz. "Die ganzen Fischnährtiere, die wir hier hatten, sind tot - der ganze Fluss ist eigentlich tot."

Fischsterben: Zahlreiche Flüsse waren betroffen

Messgerät in Wasserprobe der Bade (August 2023). © Ralf Behrens Foto: Ralf Behrens
In den betroffenen Flüssen war teilweise praktisch gar kein Sauerstoff mehr im Wasser.

Mehrere Angelvereine meldeten im Sommer 2023 verunreinigte Gewässer und tote Fische in den Landkreisen Rotenburg, Cuxhaven, Osterholz, Stade und Harburg. Zusammen mit dem Anglerverband Niedersachsen (AVN) suchten die Anglerinnen und Angler nach der Ursache. Und fanden Weideflächen, die nach Starkregen im Juni und Juli teils lange unter Wasser standen. Beschleunigt durch die Wärme zersetzten sich dort die Pflanzen - ein Prozess, der dem Wasser sehr viel Sauerstoff entzieht, erklärt Florian Möllers vom AVN: "Wenn dieser Gift-Cocktail dann ins Gewässer gelangt, dann wird auch da der Sauerstoff dem Gewässer quasi komplett entzogen."

In der Bade starben mehr als 90 Prozent der Fische

Eine Karte zeigt vom Fischsterben betroffene Gebiete in Niedersachsen. © NDR
100 Kilometer Gewässer waren vom Fischsterben im August betroffen.

So beschreibt es der AVN auch in seinem Bericht zum Fischsterben 2023. Darin wertet der Verband detailliert alle erhobenen Daten und Beobachtungen aus. Im Herbst wurde außerdem untersucht, wie viele Fische noch in den betroffenen Bereichen leben. Je nach Gewässer fiel das unterschiedlich aus - in der am stärksten betroffenen Bade sind über 90 Prozent der Fische gestorben. Allein an der Hamme wurde eine Tonne toter Fisch gefunden. Wie viele Fischnährtiere wie zum Beispiel kleine Krebse verendet sind, sei nicht überschaubar.

Fehlende Zuständigkeit für Fischsterben

Florian Möllers, Hans-Peter Wennholz und Ralf Behrens (v.l.n.r.) bei der Probenentnahme an der Bade. © NDR
Florian Möllers, Hans-Peter Wennholz und Ralf Behrens (v.l.n.r.) überprüfen den Zustand der Bade acht Monate nach dem Fischsterben.

"Was uns enttäuscht hat, war, dass auf Landesebene die Behörden wie der NLWKN oder auch das Dezernat für Binnenfischerei sich überhaupt nicht zuständig fühlten, geschweige denn die Ministerien - weder das Ministerium für Umwelt noch das Ministerium für Landwirtschaft", sagt Florian Möllers. Alle waren seiner Ansicht nach betroffen und hätten reagieren müssen. Er hätte sich gewünscht, dass Daten gemeinsam dokumentiert und Schäden kompensiert worden wären. "Das ist bis heute nicht passiert und das enttäuscht uns maßlos", so Möllers. Es brauche unter anderem klare Meldeketten, Alarmpläne mit Vereinen und Behörden.

Videos
Eine Brücke über einem Fluß vom Ufer aus betrachtet. © Screenshot
2 Min

Nach Starkregen: Fischsterben in Cuxhaven und Wesermarsch

Das Phänomen ist normalerweise eher aus Dürrezeiten bekannt. (18.08.2023) 2 Min

Gespräche zwischen Anglern und Landesämtern geplant

Mit den betroffenen Landkreisen seien dazu bereits runde Tische geplant, berichtet Möllers. Auf Landesebene seien diese grundsätzlich zugesagt. Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erklärte auf Anfrage des NDR Niedersachsen, das Amt könne nicht von sich aus tätig werden: "Anlassbezogene Beprobungen können seitens des NLWKN (...) durchgeführt werden, sofern seitens der zuständigen Unteren Wasserbehörden darum ersucht wird. Dies war bei den Fischsterben ab Mitte August 2023 allerdings mit einer Ausnahme nicht der Fall." Trotzdem habe man vor Ort geholfen und beispielsweise verendete Fische entsorgt.

Klimawandel erhöht Risiko

Die Bade, die Oste und andere Flüsse könnten in Zukunft häufiger von giftigen Starkregen-Folgen betroffen sein: Der AVN zitiert im Bericht die Prognose der Klimawirkungsstudie Niedersachsen zu Starkregenereignissen. Gerade in der Region des Fischsterbens könnten die demnach stark zunehmen. Damit steige auch das Risiko für Katastrophen wie im Sommer 2023. Das sieht der NLWKN ähnlich. Ohne ein Umdenken bei der Bewirtschaftung von Flächen neben Gewässern könnten solche Ereignisse nicht verhindert werden.

Weitere Informationen
Ein toter Fisch liegt am Ufer der Ollen, einem Zufluss der Hunte. © Dorothee Truels

Hätte das Fischsterben im Nordwesten verhindert werden können?

Betroffen sind Flüsse in den Landkreisen Wesermarsch, Cuxhaven und Osterholz. Grund ist Sauerstoffmangel in den Gewässern. (18.08.23) mehr

Tote Fische an der Isebek am Eppendorfer Baum © NDR Foto: Karsten Sekund

Fischsterben im Norden auch Folge des Klimawandels

Massenhaft tote Fische haben in Norddeutschland vielerorts für Schlagzeilen gesorgt. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. (12.07.23) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 04.04.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Tiere

Wasserqualität

Mehr Nachrichten aus der Region

Ein Mann (l.) sitzt in einem Gerichtssaal in Hamburg. Er soll sein Kind entführt und den Flugbetrieb am Hamburger Flughafen stundenlang lahmgelegt haben. © NDR Foto: Elke Spanner

Geiselnahme am Hamburger Flughafen: 35-Jähriger legt Geständnis ab

Der Angeklagte hatte im November vergangenen Jahres seine Tochter entführt und den Hamburger Flughafen für 18 Stunden lahmgelegt. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Demokratie unter Druck?