Landtagswahl: Es geht auch um die Zukunft der Schulen
Wie soll Bildung in Niedersachsen in den kommenden fünf Jahren gestaltet werden? Darüber diskutierten Politikerinnen und Politiker am Mittwochabend im "Talk zur Wahl", der "Hallo Niedersachsen"-Sondersendung.
Denn die Themen sind groß: Unterrichtsversorgung, Inklusion, Lehrkräftemangel. Niedersachsens Bildungssystem steht vor großen Aufgaben. Das zeigt sich allein an diesem Schuljahr: Gut 32.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler werden in diesem Jahr in Niedersachsen unterrichtet - laut der Bildungsgewerkschaft GEW fehlen dafür aber 10.000 Beschäftigte.
Lehrermangel ist große Herausforderung
Ein Problem, das sich nicht so einfach lösen lasse - da sind sich alle Parteien einig. Laut Julia Willie Hamburg (Grüne) kann man aber nicht erwarten, dass sich Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) "Lehrkräfte backt". Die Entscheidungen seien vor Jahren falsch getroffen worden - unter anderem in der Zeit, als die CDU das Kultusministerium besetzte. Es geht also um Symptombekämpfung. Und so stellen die Parteien ein Potpourri an Lösungsansätzen auf.
Bessere Bezahlung und Quereinstieg als Lösung?
Stefan Birkner (FDP) zeigte sich überzeugt, Lehrkräfte müssten sich auf den Kernunterrricht konzentrieren. "Für uns hat es Priorität, dass der Fachunterricht stattfindet." Es dürften nicht länger 30.000 Unterrichtsstunden ausfallen. Christian Fühner (CDU) hielt es für richtig, die Bezahlung der Grund-, Haupt-und Realschullehrkräfte auf A13 anzuheben. Ein Weg, den auch die anderen Parteien bestreiten wollen, dem sich die CDU aber lange versperrte. Nun ist Fühner allerdings überzeugt: "Das hat auch was mit Respekt vor dem Job zu tun." Gerade beim Lehrkräftemangel werden vor allem Kultusminister Tonne Vorwürfe gemacht. Eine Personalplanung finde in Niedersachsen nicht statt, betonte Fühner. Der amtierende Kultusminister Tonne verteidigte die Politik: Die SPD habe mehr Lehrkräfte eingestellt als aus dem Dienst ausgeschieden seien. Außerdem verwies er auf die großen Herausforderungen der Zeit: Die Pandemie und den Angriffskrieg in der Ukraine. Das Land müsse nun kreativ werden - neben einer besseren Bezahlung der Lehrkräfte müsse mehr Quereinstieg ermöglicht werden.
Inklusion ist Streitthema
Auch die zusätzliche Aufgaben für Lehrerinnen und Lehrer beeinflussen die Situation. Aufgrund der Belastung hält immerhin nur noch jede vierte Lehrkraft bis zur Rente durch. Harm Rykena (AfD) machte deshalb deutlich: "Die Schulpolitik hat in den letzten Jahren sehr viele weitere Aufgaben für die Schulen eingerichtet und dafür sind nicht genügend Lehrer da." Darunter fällt unter anderem die Inklusion. Eines der Streitthemen in Niedersachsen. Die AfD erklärt sie für gescheitert, Rykena zeigte sich pessimistisch: "Es wird auch so weitergehen, dass die Inklusion nicht funktioniert." Die Debatte entzündet sich dabei vor allem am Erhalt der Förderschule Lernen. AfD, FDP und CDU wollen alles dafür tun, damit sie weiter besteht.
Förderschule Lernen erhalten oder abschaffen?
Die FDP hat extra ein Volksbegehren gestartet. "Wir haben nichts gegen Inklusion, wir möchten den Eltern die Wahlfreiheit lassen", sagte Birkner. Gut 4.000 Kinder besuchen in Niedersachsen noch die Förderschule Lernen, ein Großteil wird bereits im Regelsystem unterrichtet. Dennoch wird die Debatte hitzig geführt. Für Christan Fühner steht fest, dass das Wohl der Kinder dabei viel zu kurz kommt. "Die Realitäten in der aktuellen Zeit sehen so aus, dass Inklusion nicht funktioniert."
Tonne: Inklusion funktioniert nicht durch Schalter umlegen
Die Grünen sind anderer Meinung: Die Wahlfreiheit erschwere die Inklusion. Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, die an Förderschulen unterrichten, fehlten im Regelsystem, machte Hamburg deutlich. "Es gibt Studien, die ganz eindeutig belegen, dass Kinder mit dem Förderbedarf Lernen, wenn sie in einer Regelklasse unterrichtet werden, die besseren Schulabschlüsse bekommen. Das heißt sie profitieren von dem System." Die SPD steht dabei an der Seite der Grünen: Tonne betonte, dass Inklusion nicht einfach funktioniere, indem man einen Schalter umlege. Es gebe viel zu tun, es sei aber auch schon viel passiert: "Wir haben es in Niedersachsen geschafft, dass jede Schule eine inklusive Schule ist. Das ist eine riesige Errungenschaft, das gab es noch nie."
Fortschritt bei Digitalisierung verpasst?
Neben der Inklusion hakt es auch bei der Digitalisierung: Immerhin sind 24 Prozent der Schulen nicht an leistungsfähiges WLAN angeschlossen, nicht mal jede dritte Schule hat einen Glasfaseranschluss. "Im europäischen Vergleich sind wir ein Entwicklungsland", sagte Birkner. In den vergangenen Jahren sei die Digitalisierung nicht mit Nachdruck vorangetrieben worden - nicht mal die Pandemie habe daran etwas geändert. Hamburg machte deutlich, dass es nicht nur um die Endgeräte gehe: "Technik allein macht an dieser Stelle nicht glücklich". Vielmehr müsse die digitale Schule umfangreich gedacht werden. Es gehe nicht um die Technik, sondern um die Inhalte. Ein Punkt, auf den sich an diesem Abend alle verständigen konnten.
