Kommentar zur Wahl: Eine Zäsur, die große Verantwortung bringt
Diese Landtagswahl wird die politische Szene in Niedersachsen verändern. Sie ist eine Zäsur, die den politisch Handelnden eine große Verantwortung auferlegt.
Ein Kommentar von Thorsten Hapke
Fünf Jahre lang wurde Niedersachsen von einer Großen Koalition regiert. Bei allen landespolitischen Fingerhakeleien dominierte der Konsens. Lagerdenken gab es nicht, auch die Opposition aus Grünen und FDP zog bei wesentlichen Themen mit - die AfD tat das zwar nicht, spielte aber nach dem Auseinanderfallen der Fraktion keine Rolle.
Niedersachsen wurde im Konsens reagiert
Für die abgelaufene Legislatur der Krisen war die Große Koalition womöglich die genau richtige Konstellation. Nie zuvor nach dem Krieg hatte Niedersachsen so große Herausforderungen erlebt: erst Corona, dann der russische Überfall auf die Ukraine und die Folgen. Die Große Koalition setzte pragmatisch um, was angemessen und mehrheitsfähig war. Niedersachsen wurde im Konsens regiert.
CDU muss schnell Neuanfang finden
Damit wird es vorbei sein. Jetzt stehen sich im Niedersächsischen Landtag zwei Blöcke gegenüber: Rot-Grün auf der einen und CDU und AfD auf der anderen Seite. Für die CDU ist die Lage besonders schwierig: Sie liegt am Boden und muss schnell den Neuanfang finden. Am einfachsten geht das mit deutlicher Kritik an allem, was Rot-Grün beschließt. Aber die CDU darf nicht der Versuchung erliegen, in einen Wettlauf mit der AfD um die härteste Oppositionspolitik einzutreten. Den könnte sie nicht gewinnen, denn die AfD lehnt alles ab, auch das, was für alle anderen Konsens ist: die Sanktionen gegen Russland zum Beispiel und die Notwendigkeit der Energiewende. Mit der AfD kann und darf es für die CDU keine Gemeinsamkeit geben, auch nicht in der Opposition.
Grüne müssen Niedersachsen im Blick behalten
Aber auch Rot-Grün hat Verantwortung für das politische Klima der nächsten fünf Jahre. Zum dritten Mal hintereinander kann die SPD mit Stephan Weil den Ministerpräsidenten stellen. Diese Serie darf ihr nicht zu Kopf steigen. Macht wird nur auf Zeit verliehen, auch Sieger müssen demütig sein. Und auch die Grünen in Niedersachsen müssen ideologischen Reflexen widerstehen. Sie dürfen keine Klientelpolitik für die grüne Basis anstreben, sie müssen alle Niedersachsen im Blick behalten.
Diese Legislaturperiode bedeutet eine Herausforderung. Die Große Koalition ist weg, die Krisen dauern an. Alle Landtagsparteien tragen die Verantwortung dafür, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt durch die neue politische Konstellation nicht gefährdet wird.