Innere Sicherheit in Niedersachsen - das wollen die Parteien

Stand: 13.09.2022 06:30 Uhr

Polizei, Justiz, Verfassungsschutz - die Bereiche der inneren Sicherheit sind vielfältig. Auch der Katastrophenschutz rückt seit dem Ukraine-Krieg und den jüngsten Naturkatastrophen deutlicher in den Fokus. Welche Pläne haben die Parteien für die kommenden fünf Jahre?

von Mandy Sarti

SPD

Eine Sirene steht auf dem Dach eines öffentlichen Gebäudes. © picture alliance / dpa Foto: Martin Gerten
Die SPD will nach der Landtagswahl das Sirenennetz in Niedersachsen ausbauen. (Themenbild)

  • Die Sozialdemokraten wollen im Rahmen des Katastrophenschutzes das Sirenennetz flächendeckend ausbauen. Daneben soll laut dem Wahlprogramm eine der ersten Handlungen der neuen Landesregierung die Novellierung des Brandschutzgesetzes werden. Plan ist es, die technische und digitale Ausstattung des Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz (NLBK) dauerhaft zu fördern. Eine konkrete Summe nennt die Partei aber nicht. Auch der Hochwasserschutz soll ausgebaut werden: Dafür sollen Fahrzeuge mit erhöhter Watfähigkeit sowie spezielle Hochleistungspumpen angeschafft werden.

  • Die SPD plant zudem eine große Digitalisierungsoffensive der Polizei. Konkret will die Partei in moderne Software investieren. Künftig soll aber auch mobiles Arbeiten möglich werden - für die Sozialdemokraten geht es dabei auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit das gelingt, wollen sie flächendeckend Diensthandys einführen und alle Arbeitsplätze mit mobilen Endgeräten ausstatten. Das Internet spielt auch bei den Straftaten eine immer größere Rolle: Bei der Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten soll deshalb digitale Ermittlungskompetenz künftig stärker im Vordergrund stehen. Auch die Ausstattung der Polizei soll verbessert werden - und zwar mit neuen Funkstreifenwagen, einem Hubschrauber und einem modernen Küstenboot. Die SPD verspricht, die Dauer bis zur ersten Beförderung zu senken, zudem soll das Zulagensystem für Polizistinnen und Polizisten stufenweise angepasst werden.

  • Auch der Kampf gegen sexualisierte Gewalt steht auf der Agenda: Einerseits soll sie zum Schwerpunkt polizeilicher Arbeit werden, wofür die SPD mehr Personal sowie technische und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen will. Andererseits will die Partei eine Änderung des Strafgesetzbuches auf Bundesebene anstrengen: Femizide, also Morde an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, sollen härter bestraft werden. Daneben will die SPD die Polizei bei der Auswertung von Datenmaterial, das sexualisierte Gewalt an Kindern zeigt, entlasten. Dafür will sie verstärkt auf Künstliche Intelligenz setzen und den betreffenden Beamtinnen und Beamten eine Erschwerniszulage von 300 Euro zahlen.

  • Um besser gegen Organisierte Kriminalität und Clan-Strukturen vorzugehen, spricht sich die SPD für eine intensivere internationale Zusammenarbeit aus. Die Kompetenzen von Europol sollen ausgeweitet werden.

  • Mehr Digitalisierung in der Justiz: Die SPD will Mittel für elektronische Akten und den elektronischen Rechtsverkehr bereitstellen - Künstliche Intelligenz soll in der Justiz leichter zum Einsatz kommen.

CDU

Außenansicht des Niedersächsischen Verfassungsschutzes in Hannover. © dpa Foto: Jochen Lübke
Die CDU will den Verfassungsschutz stärken. (Themenbild)

  • Um den Katastrophenschutz besser aufzustellen, soll die Förderung für Fahrzeuge dauerhaft um sechs Millionen Euro pro Jahr angehoben werden. Die CDU spricht sich auch dafür aus, Ausrüstungs- und Technikreserven anzuschaffen und ein Zentrallager aufzubauen. Davon verspricht sie sich schnelles Handeln bei Krisen. Auch die CDU will das Sirenennetzwerk wieder aktivieren.

  • Die Digitalisierung bei der Polizei soll voranschreiten: Deshalb will die CDU die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Beamtinnen und Beamten über ein Tablet verlässliche Informationen über die Lage erhalten. Die Partei verspricht, den Einsatz von Bodycams auszuweiten. Auf den Autos sollen Dashcams installiert werden. Spuckattacken gegen Polizistinnen und Polizisten sollen strafrechtlich wie eine Körperverletzung gewertet werden. Die Partei will zudem die gesetzliche Grundlage für einen dauerhaft elektronischen Austausch schaffen. Außerdem will sie ein Landesamt als Kompetenzzentrum zur Bekämpfung von Cyberkriminalität einrichten. Außerdem will die Partei die Arbeit der Polizei attraktiver gestalten. Dazu soll die Polizeizulage auf 200 Euro angehoben werden. Die CDU plant außerdem die Einführung einer Erschwerniszulage, beispielsweise für die Auswertung von Bildmaterial, das sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen zeigt. Die Christdemokraten versprechen, den Sanierungsstau anzugehen und die Dienststellen entweder zu sanieren oder neu zu bauen.

  • Für die CDU ist der Verfassungsschutz ein Grundpfeiler der "Sicherheitsarchitektur". Die Partei setzt sich deshalb dafür ein, die Behörde zu stärken. Laut Wahlprogramm muss die Beobachtung des Linksextremismus auf das gleiche Niveau wie die anderen Phänomene gehoben werden.

  • Im Bereich der Justiz wollen die Christdemokraten den Gerichten und Staatsanwaltschaften mehr Personal gewähren. Die Besoldung für Richterinnen und Richter soll angehoben werden.

Grüne

Einsatzfahrzeuge vom Katastrophenschutz Niedersachsen stehen auf dem Gelände vom Niedersächsischen Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz. © picture alliance/dpa | Philipp Schulze Foto: Philipp Schulze
Die Grünen wollen laut ihrem Wahlprogramm "massiv" in den Katastrophenschutz investieren. (Themenbild)

  • Die Partei setzt sich für "massive Investitionen" in den Katastrophenschutz ein, eine konkrete Summe liefert sie aber nicht. Auch die Bevorratung von Notfallmaterialien sowie moderne Alarmsysteme gehören zu den Forderungen im Wahlprogramm.

  • Die Grünen setzen auf mehr Sensibilität im Umgang mit Rassismus und Sexismus bei der Polizei. Die polizeiliche Praxis soll deshalb durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begleitet und untersucht werden. Das Ziel: Unabhängige Erkenntnisse sollen möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirken. Zudem soll in der Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten der Schwerpunkt verstärkt auf "Diversity-Kompetenz" liegen, also dem bewussten Wahrnehmen der Unterschiede zwischen Menschen und dem Wertschätzen ihrer Vielfalt. Zudem will die Partei umfassende Präventionskonzepte gegen Rechtsextremismus innerhalb der Polizei ausbauen.

  • Im Fokus der Grünen steht auch die Reform des Verfassungsschutzes. Die von SPD und CDU durchgesetzte Ausweitung der Kompetenzen lehnen sie ab. Vielmehr bekennen sie sich zu einer klaren Trennung von Polizei und Geheimdienst, die Eingriffsbefugnisse des Verfassungsschutzes sollen nach Auffassung der Partei auf das erforderliche Maß begrenzt werden.

  • Die Grünen wollen Verfahren in der Justiz beschleunigen, moderner und praxistauglicher gestalten. "Bagatelldelikte wie etwa Cannabisnutzung zum Eigengebrauch, Beförderungserschleichung und Containern müssen nicht mit dem Strafrecht bekämpft werden", heißt es im Wahlprogramm. Zudem wollen die Grünen verstärkt gegen Hasskriminalität vorgehen. Dazu sollen die bisherigen Ressourcen aufgestockt und die Fähigkeiten der Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden.

FDP

Auf dem Jackenärmel einer blauen Polizeiuniform ist das niedersächsische Wappen aufgenäht. © NDR Foto: Julius Matuschik
Die FDP will das Polizeigesetz in Niedersachsen ändern. (Themenbild)

  • Auch die FDP will in den Katastrophenschutz investieren. Deutlich mehr Geld soll in die Fuhrparks fließen - wie hoch die Summe genau ausfallen soll, lässt die Partei allerdings offen. Ebenfalls auf dem Plan steht ein funktionierendes Warnsystem für Niedersachsen.

  • Die FDP will zudem das Polizeigesetz ändern, dass die rot-schwarze Landesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode novelliert hatte. Quellen-Telekommunikations-Überwachung und Online-Durchsuchungen sollen wieder abgeschafft werden. Die Präventivhaft müsse hinsichtlich der Dauer beschränkt werden und dürfe nur ein Ausnahmefall bleiben, so die Überzeugung.

  • Die Arbeitsbedingungen der Polizei sollen verbessert werden. Wie genau sich die Liberalen das vorstellen, lassen sie allerdings offen. Konkreter werden sie dagegen bei der Polizeiausbildung: Cyberkriminalität soll in den Fokus gerückt werden. Dafür will die Partei an der Polizeiakademie einen "Cybersecurity-Campus" mit einer eigenen Professur einrichten.

  • Auch die FDP will eine effektivere Strafverfolgung von Sexualdelikten. Es brauche eine Konzentration und Spezialisierung - vor allem bei der Verfolgung von Missbrauchsdarstellungen im Internet.

  • Organisierte Kriminalität will die FDP mit einem besseren länderübergreifenden Austausch bekämpfen.

  • Den Verfassungsschutz wollen die Liberalen grundlegend verändern. Sie setzen sich für eine Föderalismusreform ein und wollen Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene zusammenlegen. Ziel ist es, dass am Ende vier bis sechs Behörden für ganz Deutschland agieren, das Bundesamt für Verfassungsschutz soll die Zentralstelle bilden. Niedersachsen könnte dabei nach Auffassung der Partei die Führung eines Nordverbandes übernehmen. Um die Arbeit des Verfassungsschutzes effektiver zu gestalten, sollen neben Juristinnen und Juristen auch Sozial- und Islamwissenschaftler zu den Teams gehören. Die FDP will die Auskunftspflicht nicht länger an besondere Voraussetzungen knüpfen, auch der Umfang soll nicht länger begrenzt werden.

AfD

Zwei Feuerwehrleute mit Atemschutzmasken stehen in dichtem Rauch. © NDR Foto: Julius Matuschik
Die AfD will die Feuerwehren in Niedersachsen ausbauen.

  • Strukturreform bei der Polizei: Bezahlung, Ausstattung und Aufstiegsperspektiven sollen verbessert werden. Die AfD will sich laut Wahlprogramm zudem an Berlin orientieren und die Befugnisse der Ordnungsämter ausbauen. Davon verspricht sie sich, dass die Polizei bei routinemäßigen Verkehrseinsätzen entlastet wird. Daneben ist die AfD der Überzeugung, dass die Kriminalstatistiken geschönt werden - Ausländer seien häufiger Gewaltstraftäter, so die Überzeugung. Sie fordert: "Die Erfassung der Identität aller einreisenden Nicht-EU-Bürger ist ausnahmslos vorzunehmen."

  • Die Feuerwehren sollen ausgebaut und verstärkt werden. Dies soll mit einer einsatzorientierten Bezahlung gelingen. Zudem fordert die AfD, dass der Berechnungsschlüssel angepasst wird. Zudem soll die Bürokratie abgebaut werden. Die Partei will auch den Katastrophenschutz ausbauen. Er müsse personell und technisch so verstärkt werden, dass bei länger andauernden Großschadenslagen schnell und effizient geholfen werden könne, heißt es.

  • Verschärfte Waffengesetze werden abgelehnt: Die AfD sieht in den Anpassungen der vergangenen Jahre eine Benachteiligung für diejenigen, die legal Waffen besitzen.

  • Nach Auffassung der Partei ist der Verfassungsschutz nicht unabhängig. Weil die Behörde dem Innenministerium untergeordnet ist, fürchtet die AfD eine parteipolitische Ausrichtung. Sie fordert deshalb die Einrichtung eines Landesamtes.

  • Die AfD will zudem linke Gewalt stärker bekämpfen. Sie ist der Auffassung, dass die anderen Parteien den Kampf gegen Linksextremismus aufgegeben hätten. Zudem kritisiert die Partei, dass seit Jahren Mittel in Projekte "gegen rechts" fließen.

Die Linke

  • Militärlogistik soll nach Auffassung der Linken in einen international einsetzbaren Katastrophenschutz umgewandelt werden. Dazu gehört auch, dass mehr Mittel in den Katastrophenschutz fließen sollen, statt in den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Sie fordert zudem ausreichend Kapazitäten für Notfälle wie Epidemien, Großunfälle und Naturkatastrophen. Wie die anderen Parteien auch, will die Linke, dass das Sirenennetz weiter ausgebaut wird.

  • Die Partei setzt sich für eine Reform des Polizeirechts ein. Konkret heißt das: Keine Verdachtsinhaftierung, pseudonyme Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten und eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeiangelegenheiten. Die Polizei soll laut Wahlprogramm entmilitarisiert werden - Maschinengewehre, Taser und Militärfahrzeuge sollen demnach nicht mehr eingesetzt werden.

  • Die Linke fordert die Auflösung des Verfassungsschutzes. Es soll durch ein "transparent arbeitendes wissenschaftliches Institut" ersetzt werden, das demokratiefeindliche Interessen analysiert.

  • Sie will eine Studie zu Rassismus und anderen menschenfeindlichen Bestrebungen in allen Sicherheitsbehörden in Auftrag geben.

 

So positionieren sich die Parteien zu weiteren Themen:

 

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 09.10.2022 | 19:00 Uhr

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