Grüne wollen 1. Klasse in Regionalzügen abschaffen
Um mehr Platz in den Nah- und Regionalverkehrs-Zügen zu schaffen, wollen die Grünen in Niedersachsen die 1. Klasse abschaffen. Das Thema bewegt viele Menschen, wie eine Umfrage von NDR Online zeigt.
Eine knappe Mehrheit (53 Prozent) der Umfrage-Teilnehmenden hat sich bis Montagabend für den Vorstoß der Grünen ausgesprochen und meint, dass die 1. Klasse verzichtbar sei. Für den Erhalt der 1. Klasse sprachen sich immerhin 45 Prozent aus. Deutlicher fiel dagegen das Votum der Nutzerinnen und Nutzer der Facebook-Seite von NDR Niedersachsen aus: Hier stimmten bis zum Abend mehr als doppelt so viele (362) für die Abschaffung der 1. Klasse wie dagegen (170). Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ, erzielte aber eine große Resonanz. Mehr als 1.500 Menschen beteiligten sich bis Montagabend auf NDR.de, 580 waren es bei Facebook.
"Zwei-Klassen-Einteilung passt nicht mehr in die Zeit"
Die Forderung, die 1. Klasse abzuschaffen, haben die Grünen in ihr Programm zur Landtagswahl am 9. Oktober aufgenommen. "Diese Zwei-Klassen-Einteilung der Bahn im Nah- und Regionalverkehr passt nicht mehr in die heutige Zeit", sagte Grünen-Landeschef Hanso Janßen. Es wirke "anachronistisch, wenn wir oftmals fast leere Waggons der Regionalbahnen durch die Gegend fahren, während gleichzeitig Abteile überfüllt sind". Busse würden ebenfalls ohne 1. Klasse auskommen. Im Sinne der Verkehrswende sollten mehr Kapazitäten für Bahnfahrende geschaffen werden. Für Pendlerinnen und Pendler wäre das Ende der Klassen-Aufteilung eine Erleichterung, so Janßen.
Parteimitglieder sehen Vorschlag mitunter kritisch
Der Vorstoß ist innerhalb der Partei umstritten. Bei der Abstimmung des Wahlprogramms auf dem Grünen-Landesparteitag im Juni gab es gegensätzliche Meinungen zu dem Thema. Einige Parteimitglieder fürchteten etwa, dass man damit gesellschaftliche Gruppen ausschließen würde.
SPD: Wesentliche Veränderung nur durch mehr Züge möglich
Die Sozialdemokraten sind offen für eine Debatte. "Um aber tatsächlich die Kapazitäten im Nahverkehr zu erhöhen, ist das einzige Mittel, mehr Züge einzusetzen", sagte SPD-Verkehrspolitiker Christoph Bratmann. Das Abschaffen der 1. Klasse würde das Platzangebot seiner Einschätzung nach nur unwesentlich erhöhen.
CDU und FDP wollen Angebot beibehalten - und mehr Waggons
Christdemokraten wie Generalsekretär Sebastian Lechner sprechen sich klar für das Beibehalten der 1. und 2. Klasse aus. Man respektiere den wirtschaftlichen Nutzen in Nahverkehrszügen. Auch die FDP ist gegen das Abschaffen der beiden Kategorien. Dies würde die Sitzplatzkapazität nur geringfügig erhöhen - notwendig wäre eine Verlängerung der Züge, sagte FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner.
Betreiber sollten laut AfD erst mal "Minimalforderungen" erfüllen
AfD-Spitzenkandidat Stefan Marzischewski bezeichnete die Frage als "überflüssige Diskussion", solange es den Verantwortlichen nicht gelinge, wenigstens die Minimalforderungen umzusetzen - wie etwa eine höhere Pünktlichkeit. "Wenn es aus unternehmerischen Gesichtspunkten lohnt, eine 1. Klasse beizubehalten, spricht wenig dagegen. In überfüllten Zügen muss sie aber umgehend für alle Reisenden geöffnet werden."
Was würde Aufheben der 1. Klasse nutzen?
Wie viele Kapazitäten durch ein Ende der 1. Klasse geschaffen würden, hängt vom Bahnunternehmen und dessen Zügen ab. Die NordWestBahn beispielsweise bietet in ihrem größten Netz gar keine 1. Klasse an, wie Unternehmenssprecher Steffen Högemann dem NDR in Niedersachsen sagte. Das Regio-S-Bahn-Netz mit den Linien RS1 bis RS4 fahre unter anderem auf den Strecken Bremerhaven-Bremen-Twistringen und Bremen-Oldenburg-Bad Zwischenahn. Im Netz Weser-Ems mit Strecken wie Osnabrück-Vechta-Bremen und Osnabrück-Oldenburg-Wilhelmshaven gebe es eine 1. Klasse. Diese umfasse bei insgesamt 129 Sitzplätzen jedoch nur acht Sitze. Die Auslastung werde nicht erfasst, so Högemann, sei aber erfahrungsgemäß gering. Bei den Zügen der S-Bahn Hannover gibt es in einer Baureihe etwa 180 Sitzplätze in der 2. und zwölf in der 1. Klasse. In anderen Zügen ist das Verhältnis laut Betreiber Transdev ähnlich.