Zwei angeklagte Frauen betreten einen Gerichtssaal. © dpa Foto: Sina Schuldt

Vorwurf Mord: Ließen zwei Frauen einen Pflegebedürftigen sterben?

Stand: 20.06.2023 20:31 Uhr

Für den Tod eines Pflegebedürftigen im Landkreis Vechta müssen sich eine Mutter und ihre Tochter vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Ein mögliches Motiv: Erbschleicherei.

Die Staatsanwältin sagte zu Prozessbeginn, die Frauen hätten sich 2016 in dem Haus des alleinlebenden Mannes "eingenistet" und auf seine Kosten gelebt. Der damals 63-Jährige habe ihnen eine umfassende Vollmacht eingeräumt - daher seien die Frauen auch verpflichtet gewesen, sich um ihn zu kümmern. Laut Anklage täuschten Mutter und Tochter aber nur vor, den kranken Mann pflegen zu wollen. Im Juli 2018 starb er an den Folgen einer unbehandelten schweren Erkrankung. Laut eines verlesenen Beschlusses des vorher zuständigen Amtsgerichts Vechta litt der Mann unter anderem an einer Nierenbeckenentzündung. Die Frauen hätten sich nicht über die Krankheit des Mannes informiert, ihn nicht mit notwendigen Medikamenten versorgt und ihn seinem Schicksal überlassen, so die Staatsanwaltschaft. Die 65-Jährige und die 31-Jährige hätten seinen Tod durch Unterlassen verursacht.

Angeklagte war Erbin - Mord aus Habgier?

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hält auch einen Mord aus Habgier für möglich. Der Staatsanwältin zufolge wurde die jüngere Frau als Erbin des Mannes eingesetzt. Noch während der Pflegebedürftige lebte, sollen die Frauen Geld in Höhe von mehr als 100.000 Euro von seinem Konto abgehoben oder überwiesen haben. Außerdem besaß der Mann Grundstücke im Wert von mehr als einer halben Millionen Euro. Die Angeklagten äußerten sich zu Beginn des Prozesses nicht.

Sanitäterin: Leiche war abgemagert und mit Fliegen besetzt

Der Vorsitzende Richter zeigte am Dienstag Bilder des toten Mannes und des Hauses. Am Körper des Toten waren mehrere Wunden zu erkennen; das Haus war vermüllt. Der Verteidiger der Mutter kritisierte, dass die Bilder gezeigt wurden. Das habe eine negative psychologische Dimension. Eine Rettungssanitäterin sagte als Zeugin aus, es sei während ihres Einsatzes im Haus des Mannes schnell klar gewesen, dass der Patient tot sei. Fliegen hätten sich in seiner Nase und in seinem Mund befunden. Der Körper sei abgemagert und kalt gewesen. Die angetroffenen Frauen hätten nur wenig über den medizinischen Zustand des Mannes gewusst, sagte die Zeugin. Man habe die Polizei hinzugezogen, auch weil der Mann nicht allzu alt gewesen sei.

Prozess bis Ende September angesetzt

Die Staatsanwaltschaft war ursprünglich von fahrlässiger Tötung ausgegangen. Die damalige Richterin am Amtsgericht Vechta ging allerdings nach der Beweisaufnahme davon aus, dass die beiden Frauen vorsätzlich gehandelt haben. Deshalb landete das Verfahren nun beim Landgericht Oldenburg. Dieses hat zunächst Verhandlungstermine bis zum 22. September angesetzt.

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Blick auf den Lappan, das Wahrzeichen der Stadt Oldenburg. © NDR Foto: Julius Matuschik
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NDR 1 Niedersachsen | Regional Oldenburg | 20.06.2023 | 15:00 Uhr

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