Polizei Hannover ermittelt nach Silvester-Ausschreitungen

Stand: 03.01.2023 17:17 Uhr

Die Polizei Hannover hat nach der Silvesternacht mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren eingeleitet. Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert nach den Angriffen auf Einsatzkräfte Konsequenzen.

Die Ermittlungsverfahren richten sich gegen verschiedene Personen, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Dabei gehe es unter anderem um gefährliche Körperverletzungen, Sachbeschädigungen an Polizei- und Feuerwehrfahrzeugen, tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte, Landfriedensbruch sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Straftaten hätten sich in der Landeshauptstadt sowie in der Region Hannover ereignet. Man gehe von weiteren Fällen aus, da teilweise keine Täter zu ermitteln waren, da Böller aus einer Menge heraus geworfen wurden.

Pistorius bringt Führerscheinentzug ins Spiel

Niedersachsens Innenminister Pistorius hatte am Dienstagmorgen auf NDR Info eine schnellere Verurteilungen der Täterinnen und Täter gefordert. Er halte den Strafrahmen, den das Gesetz vorsehe, für ausreichend, allerdings sollte man über zusätzliche Sanktionen diskutieren, wie etwa den Entzug des Führerscheins. Solche sogenannten Nebenstrafen würde gerade junge Männer, die vornehmlich als Täter gelten, treffen. Die eigentliche Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte sei in der Silvesternacht nicht signifikant höher gewesen als in den Jahren vor Beginn der Corona-Pandemie, allerdings habe die Intensität und Heftigkeit der Taten deutlich zugenommen, sagte der SPD-Politiker.

Boris Pistorius (SPD, M), Innenminister von Niedersachsen, auf einer Pressekonferenz zum Thema "Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2021". © dpa-Bildfunk Foto: Moritz Frankenberg
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Innenminister: Respekt muss wieder hergestellt werden

Pistorius hält generell eine gesellschaftliche Debatte über fehlenden Respekt gegenüber Einsatzkräften für nötig. "Unser Problem ist, dass es überhaupt so weit kommt, dass Menschen auf den Gedanken kommen, Rettungskräfte, Sanitäter, Feuerwehr oder Polizei grundlos anzugreifen. Das ist auch die Herausforderung, vor der unsere Demokratie steht." Pistorius kündigte an, sich noch im Januar mit Gewerkschaften und Vertretern von Feuerwehr und Polizei zusammenzusetzen. "Wir werden konkrete Maßnahmen erarbeiten, wie wir diesen Respekt wieder herstellen", so Niedersachsens Innenminister.

Polizeipräsident fordert harte Strafen

Zuvor hatte bereits Landespolizeipräsident Axel Brockmann von einer neuen Dimension der Angriffe gesprochen. Brockmann macht sich vor allem deshalb Sorgen, weil die Angriffe immer brutaler würden, wie er dem NDR in Niedersachsen sagte. Täter müssten jetzt mit aller Härte bestraft werden. Die entsprechenden Strafen bei Taten gegen Einsatzkräfte wurden in den vergangenen Jahren bereits auf Drängen des Landes verschärft, aber offenbar werde noch nicht hart genug durchgegriffen, sagte Brockmann. Ein landesweites Böllerverbot hält er indes nicht für sinnvoll. Verbote würden sowieso gebrochen, außerdem seien gerade die illegalen Knaller ein Problem.

Landesfeuerwehrverbands-Präsident: "Das toppt alles"

"Was in diesem Jahr abgegangen ist, das toppt alles", sagte der Präsident des Landesfeuerwehrverbands Niedersachsen, Olaf Kapke. Die Einsatzkräfte seien mit einer "zunehmenden Gewaltbereitschaft" konfrontiert gewesen. Auch er sieht in einem generellen Böllerverbot keine Lösung. Die Taten müssten Konsequenzen haben. "Hier muss der Staat die vorhandenen Gesetze verstärkt durchsetzen", fordert Kapke. Er schlägt vor, dass die Täter möglichst noch in derselben Nacht einem Schnellgericht vorgeführt werden. Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft fordert zudem, Einsatzfahrzeuge mit Dashcams, also kleinen Kameras, auszustatten. So sollen Einsätze besser dokumentiert werden.

Rettungswagen © Paul Zinken/dpa
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Polizeigewerkschaft fordert generelles Böllerverbot

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich für ein härteres Durchgreifen aus. "Es ist nicht akzeptabel, dass Einsatzkräfte oder Menschen, die helfen wollen, attackiert werden. Das muss strafrechtlich verfolgt werden", sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen. Erneut wird auch über ein generelles Verbot von privaten Feuerwerken diskutiert. "Wir haben deutschlandweit gesehen, dass Pyrotechnik ganz gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt wird", sagte Stephan Weh, GdP-Landeschef in Berlin.

Pyrotechnische Industrie: Angriffe sind gesellschaftliches Problem

Ein Böllerverbot sei unverhältnismäßig, sagte der Geschäftsführer vom Verband der pyrotechnischen Industrie Klaus Gotzen. Millionen Deutsche hätten sachgemäß geböllert und sich an die Regeln gehalten, da sei auch nichts passiert. Wer illegale Böller zünde, könne schwere Schäden anrichten. "Dass Einsatzkräfte angegriffen werden, sei ein gesellschaftliches Problem, das man auch durch ein Böllerverbot nicht lösen könnte."

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Angriffe auf Einsatzkräfte in ganz Niedersachsen

Bundesweit waren Einsatzkräfte in der Silvesternacht angegriffen worden. Vier Feuerwehrleute waren in Garbsen (Region Hannover) leicht verletzt worden. Sie seien mit Pyrotechnik beworfen worden, erklärte die Polizei. Zu vereinzelten Übergriffen auf Einsatzkräfte kam es zudem in Laatzen, im hannoverschen Stadtteil Kronsberg sowie auf der Lister Meile. Dort wurden Beamte auch mit Glasflaschen beworfen. Übergriffe auf Beamte vermeldet auch die Polizei in Peine: Im Bereich der Nord-Süd-Brücke wurden demnach Polizeikräfte aus einer etwa 60-köpfigen Menschenmenge gezielt mit Böllern und Feuerwerk attackiert.

Böller fliegen Richtung Feuerwehr

In Vechta haben Randalierer die Feuerwehr angegriffen, als diese einen Brand löschte. Ortsbrandmeister Christian Heitmann sprach von einer "bewussten Gefährdung von Menschen". Böller seien an den Einsatzkräften vorbeigeflogen. Wie die Polizei bestätigte, war ein als Einsatzfahrzeug erkennbares Auto beschädigt worden - eine Anzeige dazu liege vor. Es sei allerdings unklar, ob die Feuerwehr absichtlich mit Böllern beschossen wurde.

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