Kommunen klagen: Schulassistenzen sind in Niedersachsen rar

Stand: 06.09.2023 21:12 Uhr

Seit dem Schuljahr 2013/14 gilt die inklusive Beschulung. Kinder mit Unterstützungsbedarf haben Anspruch auf einen eigenen Schulassistenten oder eine -assistentin. Doch die sind Mangelware.

von Kristin Häfemeier

Allein in der Region Hannover stieg die Zahl der Kinder mit Anspruch auf Schulassistenz zwischen 2012 und 2022 nach Auskunft der Verwaltung von 442 auf 1.606. Damit habe sich auch der Bedarf an Schulassistenzen mehr als verdreifacht. Das liege laut Region Hannover aber nur zu einem Teil an der voranschreitenden Inklusion. Auch Coronapandemie und die Eingliederung von geflüchteten Kindern seien Gründe für den Anstieg, sagte Steffi Rosenhahn, Leiterin des Fachbereichs Teilhabe der Region.

Wer eine Schulassistenz braucht, muss warten

Gleichzeitig seien nach Auskunft der Region Hannover Fachkräfte Mangelware. "Das ist ein Problem, weil wir die Kinder, die auf eine Schulassistenz angewiesen sind, nicht mehr wirklich bedienen können. Es kommt also zu Wartelisten und zu Wartezeiten. Familien, Eltern und Kinder leiden sehr darunter, dass die Kinder dann nicht zur Schule gehen können", erklärte Andrea Hanke, Dezernentin für Teilhabe der Region Hannover.

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Problem auch in anderen Kommunen bekannt

Fehlende Schulassistenzen sind auch in anderen Kommunen ein Problem. Im Landkreis Hameln-Pyrmont ist der Bedarf an Schulassistentinnen und Schulassistenten seit dem Start der inklusiven Schule von 35 auf 259 gestiegen. In den Landkreisen Osnabrück und Oldenburg hat sich die Zahl der anspruchsberechtigten Schülerinnen und Schüler mehr als verdoppelt. Die Stadt Braunschweig schreibt auf Anfrage: "Schulen sind mit der Aufgabe der inklusiven Beschulung betraut worden, ohne entsprechende personelle Ressourcen hierfür zu erhalten. Auch fehlt häufig das Fachwissen, um Schülerinnen und Schüler mit inklusiven Bedarfen beschulen zu können."

Ministerium ist flächendeckende Unterversorgung nicht bekannt

Das Niedersächsische Sozialministerium erklärt, keine eigenen Zahlen zu haben, man verweist auf die Zuständigkeit der Kommunen. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: "Eine flächendeckende Unterversorgung bei den Leistungsangeboten der Schulassistenz nach SGB IX und SGB VIII ist hier nicht bekannt. Gleichwohl dürfte der allgemeine Fachkräftemangel, (…) die Schulassistenz kaum ausnehmen. Das passende Personal zu finden, ist aktuell in nahezu jeder Branche eine Mammutaufgabe."

Qualifizierungskurse sollen Ausbildung vereinheitlichen

Die Kommunen gehen das Problem auf unterschiedliche Weise an. Stadt und Region Hannover starten einheitliche Qualifizierungskurse. Denn das Berufsbild Schulassistenz hat keinen anerkannten Ausbildungsweg oder Studium. In vielen Kommunen gelten laut Region bislang unterschiedliche Anforderungen bei der Anerkennung. So ist es für Schulassistenzen in der Regel schwierig, zwischen benachbarten Kommunen zu wechseln.

Poolschulen als Lösung?

In Stadt und Region Hannover gibt es zudem 13 sogenannte Poolschulen. Hierbei ist nicht mehr eine Assistenz einem Kind zugeordnet, sondern der Schule wird eine bestimmte Anzahl von Assistenzen zugeteilt, die für mehrere Kinder gleichzeitig zuständig sind und sich im Krankheitsfall vertreten können. Damit geben Eltern allerdings den Anspruch einer individuellen Betreuung auf. Auch Braunschweig spricht sich für eine Poollösung aus - gesteuert und finanziert vom Land Niedersachsen. Im Landkreis Hameln-Pyrmont arbeiten die Träger zum Beispiel mit den örtlichen Volkshochschulen und Berufsschulen zusammen, um Qualifizierungsangebote zu entwickeln. Ergänzend werden Arbeitsplätze für dual Studierende in dem Bereich angeboten.

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Dieses Thema im Programm:

Niedersachsen 18.00 | 06.09.2023 | 18:00 Uhr

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