Stand: 14.09.2020 14:59 Uhr

Digitale Schulplattform IServ auf Erfolgskurs

von Bita Schafi-Neya

Die Corona-Krise hat gerade Schulen besonders hart getroffen. Als sie geschlossen wurden, war schnell klar: Auf digitalen Unterricht sind die wenigsten vorbereitet. Das zeigen auch die Zahlen einer internationalen Vergleichs-Studie, nach der sich Deutschlands Schulen in Sachen Digitalisierung gerade mal im Mittelfeld befinden, während beispielsweise Dänemark ganz vorne liegt. Engagierte Lehrkräfte mussten improvisieren und sich selbst digitale Tools und Lösungen suchen. Das Braunschweiger Digital-Unternehmen IServ war dabei besonders gefragt, wie die NDR Info Perspektiven berichten.

Schülerinnen und Schüler aus Pönitz in Schleswig-Holstein sitzen in ihrem Klassenraum und arbeiten mit Tablet-PCs. © NDR Foto: Thorsten Philipps
Digitales Lernen ist in deutschen Schulen noch die Ausnahme. (Symbolfoto)

Deutschland gilt nicht als Vorbild für digitale Bildung. Als Ende 2019 die zweite Auflage der internationalen Vergleichsstudie "International Computer and Information Literacy Study" erschien, welche die Digitalkompetenz von Achtklässlern untersucht, waren hierzulande kaum Fortschritte zu erkennen. Wie schon 2013 schnitten deutsche Schüler im 14-Länder-Vergleich nur mittelmäßig ab. Noch schlechter sah das Zeugnis für Schulen aus: Nur gut drei Prozent der Lehrer bekommen einen Computer gestellt, so wenige wie in keinem anderen der untersuchten Länder. Während sich in Dänemark 97 Prozent der Schüler und Lehrer über digitale Lernplattformen austauschen, lag die Quote in Deutschland im Untersuchungszeitraum 2018 nur bei 17 Prozent. Was machen die Dänen also anders? Schon vor knapp 20 Jahren mussten Dänemarks Lehrer zur ersten Computerschulung antreten: PowerPoint, Word, Tabellenkalkulation standen auf dem Lehrplan - unterstützt mit Finanzspritzen durch das Land. Seitdem organisieren Schüler und Lehrer alles digital: Noten, Hausaufgaben, Fehlzeiten.

Corona: Schulen in Deutschland länger geschlossen als anderswo

Unterdessen warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in ihrer kürzlich vorgestellten Bildungsstudie vor den Folgen der Corona-Krise für den Bildungsstandort Deutschland. Laut der Studie waren die Schulen hierzulande länger geschlossen als in anderen OECD-Ländern. Hinzu kommt der immense Nachholbedarf bei digitalen Lernplattformen. Kaum verwunderlich, spielten doch digitale Medien im Unterricht bislang eine untergeordnete Rolle. Doch immerhin hat sich das durch die Corona-Krise geändert. Inzwischen sind viele Schulen besser ausgestattet und nach langem Hin und Her fließen, wenn auch nur schleppend, endlich die Milliarden aus dem Digitalpakt. Für Deutschland könnte diese Entwicklung einen Weg aus dem internationalen Mittelfeld in Sachen schulischer Digitalkompetenz bedeuten.

Eine Lösung: Digitale Schulplattformen

Mitarbeiter des Bildungsservers IServ bei der Arbeit © Iserv
In den nächsten Monaten will das Unternehmen von 90 auf 150 Mitarbeiter wachsen.

Auf dem Weg zu mehr digitaler Kompetenz sind digitale Schulplattformen ein wichtiger Baustein. Das einstige Start-up IServ aus Braunschweig hat sich in diesem Bereich zu einem wichtigen Anbieter entwickelt. Die Schulplattform wurde im Rahmen eines Lernprojektes einst von Schülern ins Leben gerufen. Heute ist IServ einer der führenden Anbieter. Den Nutzern gefällt an IServ neben der einfachen Bedienbarkeit besonders gut, dass dort verschiedene Funktionen kombiniert sind, wie Vertretungspläne und E-Mails. Knapp 4.200 Schulen nutzen IServ inzwischen bundesweit. Vor 19 Jahren hatte Jörg Ludwig die Plattform zusammen mit einem damaligen Schulkameraden entwickelt. Bei "Jugend forscht" belegten beide damals den dritten Platz auf Bundesebene. 

Anwendung konzentriert sich auf das Wesentliche

Schüler bei einer Videokonferenz © Iserv
Die Plattform bietet Schülern auch die Möglichkeit, sich per Videokonferenz miteinander auszutauschen.

Mit einem Passwort können sich Schüler und Lehrer über die Internetseite der Schule bei IServ einloggen. Auf verschiedenen Modulen sind Stundenpläne, Klassenlisten, Termine oder Hausaufgaben hinterlegt. Die Inhalte geben die Schüler und Lehrer selber ein. Zudem gibt es Foren, Chats und für alle eine schuleigene Mail-Adresse. Die vorhandenen Werkzeuge auf der Plattform funktionieren schon ganz gut, wie Ludwig erzählt. Um weiter so erfolgreich zu bleiben, arbeitet das Unternehmen eng mit den Schulen zusammen: "Tatsächlich kommen die Ideen für die Weiterentwicklung von unseren Kunden. Die schreiben uns das ganz direkt oder rufen an." Die große Herausforderung sei dann, herauszufiltern, welche Anregungen auch wirklich umgesetzt werden können. Statt zu vieler Funktionen sei es eher ihr Anspruch, wesentliche Funktionen einfach und gut umzusetzen.

Zeugnis: Viel Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung

Vier ungefähr gleich große Anbieter teilen sich derzeit den bundesweiten Markt für Schulserver. Die Perspektive für die Braunschweiger ist gut: In den vergangenen Monaten ist das Unternehmen um 70 Prozent gewachsen. Inzwischen beschäftigt Jörg Ludwig ein Team aus 90 Mitarbeitern. Doch anfangs wurde das Thema Digitalisierung in Deutschland nicht so richtig ernst genommen: "Das Thema wurde sowohl von der Politik als auch von den Schulen zu lange verschlafen. Wir sind ja schon seit einiger Zeit in dem Markt unterwegs und haben die Lösungen angeboten und seit Corona werden sie auch deutlich mehr genutzt." Jörg Ludwig sieht an vielen Stellen noch Verbesserungsbedarf. Es müsse für Internetzugänge und und für vernünftige Endgeräte gesorgt werden: "Die meisten Schüler haben jetzt mit Smartphones gearbeitet. Das ist eigentlich nicht die richtige Lösung, da braucht man ein Tablet oder Laptop. Natürlich müssen auch alle Lehrer ausgestattet werden. " Technische Ausstattung und Fortbildung seien ja auch in Unternehmen ganz selbstverständlich ein Thema.

Bürokratie oft hinderlich

Jörg Ludwig lobt hier besonders die Dänen als Vorreiter in Sachen Fortbildung. Sie hätten sich schon viel früher mit dem Thema auseinandergesetzt, sagt er. Auch wenn inzwischen fünf Milliarden Euro über den Digitalpakt zur Verfügung gestellt wurden, dauere die Digitalisierung an deutschen Schulen zu lange. Das Problem seien letztlich gar nicht die Mittel, sondern die Bürokratie, betont er: "Diese Anträge zu schreiben ist sehr langwierig. Bis zur Bewilligung und Auszahlung dauert es zu lange. Es ist sehr kompliziert diese Anträge so zu schreiben, dass die auch wirklich durchgehen." Man müsse viel schneller ins Arbeiten kommen und Dinge ausprobieren, um schnell zu Ergebnissen zu kommen. Darüber hinaus hält der 37-jährige Unternehmer den Dialog mit der Politik für sehr wichtig und verweist auf die Kultusministerkonferenz: "Ich denke, das ist ein sehr gutes Gremium. Da würde ich mir wünschen, als Anbieter auch mal die Chance zu haben, ein Produkt vorzustellen, um zu zeigen, was eigentlich alles möglich ist." Vieles, sagt er, sei einfach nicht bekannt bei den Entscheidern. Und somit ist jetzt wieder die Politik gefragt: Aktuell sind von den fünf Milliarden Euro des Digitalpaktes bislang nur knapp 400 Millionen Euro bewilligt worden.  

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 15.09.2020 | 07:40 Uhr

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