Das Verlegeschiff "Audacia" des Offshore-Dienstleisters Allseas verlegt in der Ostsee vor der Insel Rügen Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2. (Luftaufnahme mit einer Drohne/Copter) © dpa-Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck

Schwesig kündigt Ende der umstrittenen "Klimaschutzstiftung" in MV an

Stand: 28.02.2022 14:11 Uhr

Jetzt also doch: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wendet sich von Russland ab. Eine Zusammenarbeit sei nach dem Einmarsch in die Ukraine "unmöglich" geworden, schrieb sie auf ihren Social-Media-Kanälen.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV

Manuela Schwesig zieht die politische Notbremse, denn der Druck wurde zuletzt immer größer. Am Montagmorgen um 6.30 Uhr setzte sie auf ihren Social-Media-Kanälen eine lange Erklärung ab - darin formuliert sie einen Bruch ihrer bisherigen Russland-Politik. Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns lässt jetzt alle Aktivitäten des Landes gegenüber Russland einstellen. Die sogenannte Klimaschutzstiftung des Landes soll nun doch aufgelöst werden. Es soll geprüft werden, ob das von der Nord Stream AG bezahlte 20 Millionen Euro schwere Stiftungskapital für humanitäre Hilfe in der Ukraine gegeben werden kann.

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Vorschlag der Landes-CDU zu eigen gemacht

Die Stiftung steht seit ihrer Gründung im Januar 2021 in der Kritik und wurde zu seiner Belastung für das Ansehen Mecklenburg-Vorpommerns. Für Kritiker ist sie eine Mogel-Packung, Tarnorganisation oder "Fake-Stiftung". Sie verweisen darauf, dass mit den Gewinnen aus den russischen Gas-Geschäften nur zum Schein Umweltprojekte gefördert würden - Hauptziel der Stiftung sei der Betrieb der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2. Noch am Freitag hatte Schwesigs Regierungskoalition einen Vorschlag der CDU, die Stiftungsgelder als Hilfe für die Ukraine zu geben, brüsk als "populistisch" abgelehnt - jetzt macht sich Schwesig diese Forderung zu eigen. Auch die Fraktionen von SPD und Linke sind schnell auf den Kurs eingeschwenkt, den Schwesig vorgibt. SPD-Fraktionschef Julian Barlen erklärte, Putins Angriffskrieg mache eine grundlegende Neubewertung notwendig. Die Einstellung aller Aktivitäten der Landesregierung und des Landtages in Richtung Russland sei richtig. Alle Möglichkeiten der humanitären Hilfe für die Ukraine sollten ausgeschöpft werden. "Sollte es rechtlich vertretbar sein, Geld aus der Klimastiftung zu nutzen, wäre das begrüßenswert", so Barlen.

Sellering hält Umlenken der Stiftungsgelder für rechtswidrig

Der Chef der Stiftung, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), stellte sich allerdings gegen Schwesig. Er hält eine rasche Auflösung der vom russischen Gazprom-Konzern finanzierten Stiftung für rechtswidrig. Es sei "rechtlich ausgeschlossen", die Stiftung aufzulösen und das Stiftungsvermögen für andere Zwecke als den Klimaschutz auszugeben. Allerdings müsse die Stiftung sich damit beschäftigen, dass sie öffentlich abgelehnt werde und dass "niemand mehr mit uns zusammenarbeiten will". All das werde der Vorstand prüfen. Der Vize-Chef der Stiftung, der ehemalige CDU-Politiker Werner Kuhn, hatte sich schon am vergangenen Freitag für ein Umlenken der Stiftungsgelder Richtung Ukraine ausgesprochen.

Schwesig verzichtet auf Eingeständnis von Fehlern

Die Ministerpräsidentin kündigte weitere Maßnahmen an: Die Arbeit des landeseigenen Russland-Beauftragten, Falk Tischendorf, in Moskau wird ausgesetzt, ebenso die regionale Zusammenarbeit mit der Partnerregion St. Petersburg, die vor allem von der SPD vorangetrieben wurde. Der Deutsch-Russische Partnerverein ihres Vorgängers Erwin Sellering (SPD) solle, so Schwesig, seine Arbeit ebenso einstellen. Der Verein wurde mit mehreren hunderttausend Euro aus der Landeskasse gefördert.

Der Angriff auf die Ukraine sei eine Zeitenwende, die Grundlegendes verändert, erklärte Schwesig. Das gelte auch für die Beziehungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nach Russland. Mecklenburg-Vorpommern habe in den letzten Jahren auf Dialog und auf den Austausch mit Russland in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gesetzt. "Umso schmerzhafter ist für uns die aktuelle Entwicklung", so Schwesig. Anders als beispielsweise Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verzichtete Schwesig auf das Eingeständnis von Fehlern. Scholz hatte erklärte, er habe die Absichten der russischen Regierung falsch eingeschätzt". Ähnlich äußerte sich die Linken-Fraktionschefin im Bundestag, Amira Mohammed Ali. Schwesig schwieg zu eigenen Fehlern.

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Mit ihrer Erklärung reagierte sie auch auf massiven Druck. Das Wochenende brachte ihr ein PR-Desaster und einen Shitstorm in den sozialen Medien. Obwohl sie offiziell nach einer Routine-Operation als krank gilt und die Regierungsgeschäfte ruhen lässt, beteiligte sich die SPD-Politikerin am Freitag auf Social-Media aktiv an der Debatte um den Ukraine-Krieg. Schwesig verbreitete auf Twitter ein Foto, das einen in den ukrainischen Nationalfarben angestrahlten Landtag zeigt und schrieb dazu: "Solidarität mit der Ukraine".  Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk quittierte das mit einem Satz: "Die Heuchelei ist zum Kotzen Manuela Schwesig". Als sie wenig später ihren Parteifreund und Gaslobbyisten, Altkanzler Gerhard Schröder, aufforderte, sein Engagement für die russischen Staatskonzern zu beenden, brachte ihr das erneut massive Vorwürfe ein. Schwesig hatte sich gemeinsam mit Schröder für enge Verbindungen mit Moskau eingesetzt - auch beispielsweise nach der Attacke auf den Putin-Kritiker Alexej Nawalny.

Friedrich Merz: Bezeichnung "nützliche Idioten" noch freundlichste Umschreibung

Eine Frontalattacke startete am Sonntag dann der Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz. In der Aussprache um die Regierungserklärung von Kanzler Scholz sagte er mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern, es gebe "Putin-Versteher", die mit "windigen Stiftungskonstruktionen nichts unversucht lassen, mit diesem System Geschäfte zu machen und das Ganze dann auch noch zu versuchen, der Öffentlichkeit als gemeinnützig zu vermitteln". Sie als "nützliche Idioten" zu bezeichnen sei wohl noch die freundlichste Umschreibung, giftete Merz. SPD-Fraktionschef Ralf Mützenich verzichtete danach auf einen Widerspruch.

Schwesig wehrte sich in ihrem Post gegen die Attacke: Das sei "Unsinn". Sie habe "niemals ein Gespräch mit Präsident Putin geführt oder sein Vorgehen gegen die Ukraine unterstützt".  Schwesig äußerte sich nach einer OP erneut vom Krankenbett - einen Tag vor einer von CDU, Grünen und FDP beantragten Landtags-Sondersitzung zu ihrer bisherigen Russland-Politik. In der Opposition wird dieser Umgang als Missachtung des Parlaments gewertet - an der Sitzung am Dienstag nimmt Schwesig krankheitsbedingt nicht teil.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 28.02.2022 | 11:00 Uhr

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