Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Spitzenkandidat seiner Partei, kommt nach Bekanntgaben der ersten Prognosen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein zur Wahlparty. © dpa-Bildfunk Foto: Christian Charisius/dpa

Kommentar zur SH-Wahl: Auch ein verbindender Politikstil kommt an

Stand: 08.05.2022 20:18 Uhr

In Schleswig-Holstein holt die CDU nach einer Serie von Wahlniederlagen in Bund und Ländern erstmals wieder einen Erfolg - auch dank des populären Ministerpräsidenten.

Ein Kommentar von NDR Info Aktuell-Chefin Christiane Uebing

An Daniel Günther kommt auch in den kommenden Jahren in Kiel niemand vorbei: War er 2017 noch als "Notnagel" für die CDU gestartet, so war sein Wahlsieg dieses Mal schon im Vorfeld eine ausgemachte Sache.

Christiane Uebing © NDR/ Foto: Christian Spielmann
NDR Info Aktuell-Chefin Christiane Uebing

Und dass dieser Erfolg nun derart deutlich ausfiel - dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Drei von vier Menschen waren mit der Arbeit der ersten Jamaika-Koalition auf Landesebene zufrieden. Die Partner haben - trotz Differenzen - in Sachfragen gut zusammengearbeitet. Und Günther ist es gelungen, dass dieser Erfolg mit ihm – nicht so sehr mit den Grünen oder der FDP - nach Hause ging. Angesichts dieses lagerübergreifenden Bündnisses war das SPD-Angebot in inhaltlicher und personeller Hinsicht quasi obsolet.

Auch über die Koalition hinaus vermochte es Günther, das einst vergiftete politische Klima in Schleswig-Holstein zu versöhnen: Vorbei die Zeiten, in denen man mit dem Kieler Politikbetrieb Lüge, Intrige und Verrat assoziierte. Parteiübergreifend wurde etwa Günthers Krisenmanagement in der Corona-Pandemie geschätzt.

Günthers CDU begreift die Energiewende als Chance

Und so blieb auch eine Polarisierung im Wahlkampf aus. Themen wie Kita-Gebühren, Wohnungsnot, Breitbandausbau waren außerdem über Nacht verdrängt vom Krieg in der Ukraine. Und mit diesem Krieg stieg auch die Bedeutung erneuerbarer Energien. Deren Ausbau wird nicht mehr hinterfragt, auch um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Und Günthers CDU ist es - neben den Grünen - nicht erst seit Kriegsausbruch gelungen, die Energiewende als Chance zu begreifen, von der das Land als Windkraftproduzent profitieren wird.

Bleibt die Frage: Welche Erkenntnisse lassen sich aus dieser Wahl über Schleswig-Holstein hinaus ableiten?

Günthers Stil erinnert an Merkel

Erstens: Diesen Erfolg kann Parteichef Friedrich Merz nicht für sich verbuchen, er kann bestenfalls aufatmen. Ein Unterstützer von Merz war Günther nie. Sein liberal-pragmatischer Kurs erinnert vielmehr an Kanzlerin Merkel. Es ist also nicht die CDU als Volkspartei, die hier mit ihrem neuen Parteichef Merz eine Renaissance erlebt. Es ist die Popularität ihres Spitzenkandidaten im Land, die der Partei nach dem Debakel im Saarland kurzzeitig Erleichterung verschafft.

Zweitens: Ein moderierender, verbindender Politikstil kommt an. Eine Gesellschaft, die vielfach von Spaltung gekennzeichnet ist, goutiert auch zurückhaltende Töne. Zumal wenn sie - wie im Falle Günthers - kein Zeichen mangelnder Durchsetzungskraft sind. Er selbst sagte einmal, es helfe in der Politik nichts, laut herumzuschreien. Es gehe eben immer darum, Menschen zu überzeugen und Meinungen zusammenzuführen.

Der Regierungschef spricht mit den Menschen

Und so beherrscht Günther auf Landesebene das, was Kanzler Olaf Scholz auf Bundesebene in den vergangenen Wochen allzu oft vermissen ließ: Günther erklärt seine Politik, kommuniziert, spricht zu und mit den Menschen im Land. TV-Ansprachen allein reichen in diesen Krisenzeiten eben nicht aus.

Und die SPD? Sie wird diese bittere Wahlschlappe verschmerzen. Die Strategen im Willy-Brandt-Haus haben ohnehin den Blick bereits nach vorn gerichtet. Denn die für sie entscheidende Wahl steht kommende Woche im bevölkerungsreichsten Bundesland an.

Diese Wahl in Nordrhein-Westfalen wird auch für Friedrich Merz der Lackmustest. Verliert die CDU den Regierungsauftrag in seiner Heimat, wird der erfolgreiche Wahlabend in Kiel schnell verblassen und auch die Kritik an Merz wieder lauter. Dann dürfte der Name Daniel Günther fallen, wenn es um die Zukunft der CDU geht.

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NDR Info | Kommentar | 08.05.2022 | 20:00 Uhr

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