Kommentar: Merkel hat für andere Frauen nicht viel erreicht
Mehr Frauen an die Macht, mehr Frauen in Führungspositionen - so lauten nur zwei Forderungen, wenn es um mehr Rechte und um die Gleichstellung von Frauen geht. Zum Internationalen Weltfrauentag lässt sich auch diese Frage stellen: Was hat die lange Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) Frauen in Deutschland - nicht nur in der Politik - gebracht?
Ein Kommentar von Barbara Kostolnik, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio
Wir sind nicht Finnland, wir sind nicht Neuseeland. Dort regieren junge Frauen, junge Mütter. Selbstverständlich und selbstbewusst. In Deutschland geben nach wie vor überwiegend alte weiße Männer den Ton an - vor allem in der Politik. Auch wenn die Bundeskanzlerin seit 16 Jahren an der Spitze dieses Landes steht: Dass dadurch massenhaft Frauen in die Politik, in Führung gedrängt wären, ist definitiv nicht passiert.
"Mutti Merkel" war verletzend-abwertend gemeint

Liegt es an Angela Merkel? Ja und nein. Natürlich ist die Kanzlerin das beste Role Model, das es geben kann. Eine Frau im Kanzleramt - mit aller Macht und der Richtlinienkompetenz. Das war - wir spulen 16 Jahre zurück - damals undenkbar. Nicht umsonst wurde Merkel zu Beginn wahlweise als das Merkel, also als ein Neutrum bezeichnet. So unvorstellbar war vielen der Gedanke, eine Frau könnte ins Kanzleramt eingezogen sein. Und es hörte auch danach nicht auf: "Mutti", die Erfindung der hauptsächlich männlichen Hauptstadt-Presse, war unter keinen Umständen ehrerbietig, sondern verletzend-abwertend gemeint.
Macho-Männer servierte Merkel eiskalt ab
Nein, Angela Merkel hatte keine leichte Zeit. Aber hat sie etwas daraus gemacht, hat sie Frauen in Deutschland ermutigt, ermuntert, hat sie ihnen gezeigt: Politik ist es wert, in den Nahkampf zu ziehen?
Die Kanzlerin hat sich, das ist bekannt, im Inner Circle immer mit Frauen als engen Beraterinnen umgeben. In ihrem weiteren Kreis, auch das kann man nachvollziehen, finden sich Männer der Sorte Peter Altmaier und Helge Braun oder Ronald Pofalla, loyale Zeitgenossen, die nicht aus sich und reinem Macho-Denken heraus ohne jeden Skrupel an die Spitze drängen. Die Macho-Männer hat Merkel eiskalt abserviert, ganz oft wurde den Roland Kochs, den Christian Wulffs oder den Günther Öttingers erst in der allerletzten Sekunde bewusst: Das war's jetzt.
Vielleicht war ihr der Kampf für Frauen nicht wichtig
Merkel hat zur Sache der Frauen lange geschwiegen. Sie hat wenige Frauen ermuntert und noch weniger zu einer Karriere verholfen - von Annegret Kramp-Karrenbauer einmal abgesehen. Vielleicht, weil es ihr nicht wichtig war. Auch für die Bürgerinnen in diesem Land hat sie sich in all den Jahren nicht stark gemacht. Ein unglaubliches Versäumnis.
Erst jetzt, buchstäblich im letzten Moment, wird unter ihrer Kanzlerschaft die Frauenquote in Vorständen eingeführt. Nicht, weil ihr das ein Herzensanliegen war, sondern, weil sie es nicht mehr verhindern wollte. Wo war ihr Einsatz für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wo ihr Engagement dafür, dass Frauen für die gleiche Leistung den gleichen Lohn wie Männer bekommen? Er war schlicht nicht messbar.
Angela Merkel hat viel erreicht - für sich, für das Land. Für die Frauen kann man und frau das leider nicht sagen.
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