Nach Abberufung Schlesingers: Wie funktioniert Kontrolle im NDR?
Beim rbb haben Aufsicht und Kontrolle ganz offenbar nicht gut funktioniert. Wir wollen erklären, wie die Kontrollgremien hier im NDR arbeiten. Darüber hat NDR Info mit Ulf Birch gesprochen, dem Stellvertretenden Vorsitzenden des NDR Verwaltungsrates.
Ulf Birch war lange für den Deutschen Gewerkschaftsbund tätig, zuletzt für ver.di in Niedersachsen und Bremen.
Verstehen Sie sich in Ihrer Position eher als Vertreter der Gewerkschaft oder als ein Teil des NDR?
Birch: Das ist eine entscheidende Frage, weil sie sich auf das Rollenverständnis bezieht, das wir als Aufsichtsgremien haben. Ich selbst, sowohl in meiner Funktion damals im Rundfunkrat als auch in meiner jetzigen Funktion im Verwaltungsrat, verstehe mich als Kontroll- und Aufsichtsperson. Ich bin nicht Teil des NDR. Ich bin aber auch nicht der Lobbyist meiner Organisationen. Dort, wo Mitglieder eines Rundfunkrats sich als Lobbyisten verstehen, sind sie falsch am Platz. Denn wir haben laut Staatsvertrag die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten.
Sie sind Teil eines Kontrollgremiums des NDR. Können Sie anhand eines Beispiels sagen, wie Sie welche Vorgänge wo kontrollieren?
Birch: Wir könnten das an drei Beispielen deutlich machen. A: Das Thema Finanzen. B: Als Verwaltungsrat in der Kontrolle der Geschäftsführung. C: Die programmliche Kontrolle, die Aufgabe des Rundfunkrats ist. Nehmen wir das Beispiel Finanzen. Wir sind gehalten Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit als die drei großen Ziele zum Einsatz zu bringen. Das passiert in einer umfassenden Kontrolle des Finanzwesens des NDR.
Der NDR ist so stark wie kein anderes Unternehmen in Norddeutschland kontrolliert. Er wird sogar fünffach kontrolliert. Da ist erstens die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Eine unabhängige Kommission der Länder, die den Finanzbedarf bemisst, aus dem sich der Rundfunkbeitrag ergibt. Zum Zweiten führen die Landesrechnungshöfe eigene Prüfungen durch. Und als Vielländeranstalt haben wir viele Landesrechnungshöfe, die draufschauen. Drittens haben wir den jährlichen Bericht des Wirtschaftsprüfers. Er prüft intern alle finanziellen Vorgaben und Planungen des NDR und spiegelt sie im Verwaltungsrat. Der Rundfunkrat beschließt dann diesen Wirtschaftsplan. Wir haben viertens die interne Revision, die guckt, ob alle finanziellen Vorgänge entsprechend der Regeln eingehalten werden. Und wir haben fünftens Rundfunkrat und Verwaltungsrat, die auch den Wirtschaftsplan beschließen, die auf die Finanzen draufgucken, die die Ziele Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit umzusetzen haben.
Was ist mit der inhaltlichen Arbeit der Redaktion? Könnten Sie mit Ihrem Gremium vorschreiben, was ich senden darf? Wo endet die Kontrolle?
Birch: Das ist klar definiert im Staatsvertrag. Der NDR Staatsvertrag ist die Grundlage all dessen, was wir tun und wie wir es umzusetzen haben. Eine Programm-Beschwerde bezieht sich etwa immer auf eine gesendete Sendung. Die wird dann im Programmausschuss oder im NDR Rundfunkrat diskutiert. Es gibt eine Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung der Programmgrundsätze. Aber es gibt keine Eingriffsmöglichkeit des Rundfunkrats auf die Redaktion, bevor nicht eine Sendung, ein Bericht gesendet wurde. Das ist ausgeschlossen. Damit soll verhindert werden, dass es einen Eingriff in die Pressefreiheit und in die journalistische Unabhängigkeit gibt. Da gibt es klare Regeln - und das findet auch nicht statt.
Sie haben die Finanzen angesprochen, wir haben auch über die redaktionelle Arbeit geredet. Sie haben von drei Säulen gesprochen - was fehlt jetzt noch?
Birch: Es fehlt noch die Aufgabe des Verwaltungsrats. Seine oberste Aufgabe neben der Finanzkontrolle ist die Kontrolle der Geschäftsführung des NDR. Wir haben zu kontrollieren, wie die Leitung des Hauses, die Intendanz, die Direktorinnen und Direktoren, aber auch die Hauptabteilungsleitungen ihren Job mit den finanziellen Rahmenbedingungen erledigen.
Konkret funktioniert das so, dass der Intendant uns sehr offen über die Dinge berichtet, die im Hause vorgehen. Wir haben immer die Möglichkeit nachzufragen. Wie läuft gerade dieses oder jenes Thema? Brennt es irgendwo? Ich hätte eine Information noch zu diesem oder jenen Vorgang. Könntet ihr mir Auskunft geben? Es ist unser Job, uns als Verwaltungsrat zwischen den Sitzungen auf dem Laufenden zu halten. Das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen, aber in einem sehr klar definierten Rollenverständnis. Die Intendanz kümmert sich um die Geschäftsführung. Wir als Kontrollorgan haben die Aufgabe, die Geschäftsführung zu kontrollieren.
Es gibt also Grenzen bei der Arbeit des Verwaltungsrates. Welche Instanzen werden dann relevant in einem Haus wie dem NDR? Etwa wenn es um viel Geld geht?
Birch: Wenn es um viel Geld geht, ist das immer eine Vorgabe auch seitens des Staatsvertrages, wo es in allen Sendern sogenannte Aufgreifschwellen gibt. Ab wann muss die Intendanz einem Rundfunkrat oder einem Verwaltungsrat einen Vorgang vorlegen? Ab welcher Summe? Das ist zwar unterschiedlich in den einzelnen Sendern, aber das Prinzip ist innerhalb der gesamten ARD gleich. Dann wird darüber diskutiert, ob die Anmietung oder der Neubau eines Landesfunkhauses in Kiel den Wirtschaftlichkeits-, Sparsamkeits- und Nachhaltigkeitsaspekten genügt. Das wird sehr intensiv im Verwaltungsrat beraten, mit entsprechenden Vorlagen. Das läuft mit viel Papier.
Beim rbb hat offensichtlich die Kontrolle versagt. Wo unterscheidet sich die Kontrolle im NDR von der im rbb?
Birch: Das kann ich nicht hundertprozentig sagen, weil ich die Abläufe und organisatorischen Gegebenheiten im rbb zu wenig kenne. Ich kann aber noch einmal deutlich machen, wie wir es innerhalb des NDR handhaben. Es gibt einen Verhaltenskodex, der sowohl für Führungskräfte gilt als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDR. Wie gehe ich mit Geschenken um? Wie gehe ich mit Auftragsproduktionen um? Wie muss eine Bestellung eines technischen Geräts erfolgen? Das ist alles sehr genau in den Compliance-Regeln niedergelegt. Wie werden diese Compliance-Regeln gelebt? Das hat etwas mit der Aufsicht des Justiziars zu tun, bei dem diese Compliance-Geschichte mit angesiedelt ist und der uns auch über Verstöße gegen Compliance-Regeln im Verwaltungsrat berichtet.
Zudem haben wir im NDR eine Anti-Korruptionsbeauftragte. Das ist zugleich die Leiterin der internen Revision. Die Anti-Korruptionsbeauftragte berichtet uns einmal jährlich über Vorgänge, die möglicherweise Korruptions-Verdachtsmomente ausgelöst haben. Das ist aber sehr gering in den letzten Jahren gewesen.
Darüber hinaus haben wir einen externen Vertrauensanwalt. Wenn es einen Korruptionsverdacht gibt, kann man sich auch an diesen wenden. Aufgrund der aktuellen Vorkommnisse haben wir mal nachgefragt. Er hat uns bestätigt, dass es in den letzten Jahren überhaupt keinen Fall gegeben hat, wo sich jemand an ihn gewandt hat wegen eines Korruptionsverdachtes. Aber wer kann Ihnen eine Garantie geben, dass es nicht doch irgendwann mal einen Korruptionsfall gibt, auch im NDR? Das System, das wir haben, funktioniert.
Wo gibt es auch bei uns im Haus noch Defizite?
Birch: Wir werden uns im Verwaltungsrat all dieser aktuellen Geschichten noch mal annehmen. Und überprüfen, ob all das, was wir vereinbart haben, so noch zeitgemäß ist, oder ob wir andere Maßnahmen erörtern müssen. Das werden wir ins Blickfeld nehmen. Es gibt vielleicht im Hinblick auf Transparenzfragen noch Defizite. Wir haben eine relativ hohe Transparenz. Etwa, dass die Rundfunkratssitzungen öffentlich sind, dass es Pressemitteilung des Rundfunkrats und auch des Verwaltungsrats gibt über die Dinge, die wir beschlossen haben. Es gibt Veröffentlichungen auf den Internetseiten, sowohl beim NDR als auch auf der ARD. Auf der ARD-Transparenzseite kann man etwa nachlesen, wie die Gehälter der Intendantinnen und Intendanten und Direktoren sind. Wir haben einen jährlichen Geschäftsbericht. Und wir haben die Berichte jedes Jahr an die vier Landtage in Norddeutschland.
Was ich mir noch als Verbesserung vorstellen könnte, ist die öffentliche Kommunikation der Gremien, insbesondere der Vorsitzenden nach außen. Wir sind gefordert, auch aufgrund der aktuellen Geschichten beim rbb, uns stärker in eine öffentliche Kommunikation hineinzubegeben. Das würde ich als verbesserungswürdig sehen, nicht nur beim NDR, sondern auch bei allen anderen Gremien in der ARD.
Das Interview führte Thorsten Iffland, NDR Info