Patricia Schlesinger © dpa/dpa-Zentralbild Foto: Britta Pedersen

Fall Schlesinger: Warum der NDR Vorgänge um ein Doku-Drama prüft

Stand: 12.08.2022 17:56 Uhr

Nach den Vorkommnissen beim öffentlich-rechtlichen Sender rbb um Patricia Schlesinger überprüft jetzt auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) erneut einen Vorgang, in den die zurückgetretene Intendantin involviert war.

Es geht dabei um das Doku-Drama "Der gute Göring" (2016), an dem Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl mitgewirkt hatte. Schlesinger leitete damals im NDR den für die Produktion zuständigen Programmbereich Kultur und Dokumentationen. 

NDR Pressesprecherin Barbara Jung erklärt die Hintergründe.

Worum ging es in dem Dokudrama?

Barbara Jung
Barbara Jung ist Pressesprecherin beim NDR.

Barbara Jung: Das Dokudrama "Der gute Göring" handelt von Albert Göring, dem Bruder von Hermann Göring. Es erzählt die Geschichte zweier ungleicher Brüder. Dieses Doku-Drama war eine Co-Produktion der Produktionsfirma Vincent TV mit dem NDR und dem Bayerischen Rundfunk. Der Ehemann von Patricia Schlesinger, Gerhard Spörl, war damals einer der beiden Drehbuchautoren. Das Engagement von Spörl erfolgte damals über die Produktionsfirma Vincent TV. Sie hatte dem NDR 2014 die Verfilmung dieses Stoffes angeboten. Dieses Angebot fiel in die Zeit, in der Patricia Schlesinger im NDR den Programmbereich Kultur und Dokumentationen geleitet hat.

Wenn man damals Interessenskonflikte vermutete, wie war die Vorgehensweise? Was waren die Erkenntnisse?

Jung: Allen Verantwortlichen im NDR war damals bewusst, dass in der persönlichen Beziehung zwischen Gerhard Spörl und Patricia Schlesinger ein Interessenskonflikt liegen könnte. Und es wurde entsprechend reagiert. Die Beauftragung der Produktion zum Beispiel erfolgte mit der Genehmigung des Fernsehdirektors, also der nächsthöheren Hierarchie-Ebene. Außerdem hat die Fernsehdirektion das Projekt in die Verantwortung eines anderen Programmbereichs gegeben, nämlich in den Programmbereich NDR Fernsehen und Koordination. Es war das Ziel, diesen möglichen Interessenskonflikt zu vermeiden.

Da die inhaltliche Expertise aber im Programmbereich Kultur und Dokumentationen lag, haben die Fachredakteure dort das Projekt weiter inhaltlich begleitet. Es wurde zudem auch noch mal besonders darauf geachtet, dass das Vier-Augen-Prinzip eingehalten wurde, vor allem auch, was die wirtschaftlichen Entscheidungen anging. Die wirtschaftlichen Entscheidungen wurden damals immer gemeinsam mit der NDR Produktionsdirektion getroffen.

Also immer, wenn Geld fließt an Produktionsfirmen - außerhäusig oder im Haus -, wenn es um große Summen geht, dann gucken mehrere Menschen drauf?

Jung: Ja, das ist der Standard. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip.

Wenn 2016 alles schon mal vor dem Auftrag an das Filmteam geprüft worden ist, warum wird das nun nochmal geprüft? Was hat es damit auf sich?

Jung: Obwohl der NDR damals schon ganz bewusst all diese Vorkehrungen getroffen hatte, um genau diesen möglichen Interessenskonflikt zu vermeiden, hat sich der NDR jetzt angesichts der Vorkommnisse beim rbb entschieden, die internen Vorgänge noch einmal ganz genau anzuschauen und zu prüfen, ob die Dienstvorschriften tatsächlich eingehalten worden sind. Das ist der eine Prüfvorgang - parallel dazu gibt es einen weiteren. Der liegt bei der Antikorruptions-Beauftragten des NDR. Sie hat eine externe Anfrage zu "Der gute Göring" bekommen. Das hat bei ihr die Prüfung ausgelöst.

Zur Erklärung: Die Antikorruptions-Beauftragte des NDR ist auch Leiterin der Revision. Sie ist weisungsunabhängig, sie ist die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zur Vermeidung, Vorbeugung, Verfolgung von Korruption. Sie prüft zum Beispiel die Intendanz genauso wie die Produktionen im NDR oder zum Beispiel Beschaffungsvorgänge. Außerdem ist sie sowohl Ansprechpartnerin für die Mitarbeitenden im NDR als auch für Dritte von außen bei jeglichem Korruptionsverdacht im NDR.

Das heißt, es gibt Instanzen im NDR, um genau solche Fälle zu prüfen. Gibt es neben der Antikorruptions-Beauftragte noch weitere Möglichkeiten?

Jung: Ja, es gibt schon seit vielen Jahren einen externen Vertrauensanwalt, der vom NDR mandatiert ist. An ihn können sich im Falle eines Korruptionsverdachts Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDR wenden, aber auch Dritte.

Das Interview führte Nina Zimmermann

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Interview | 12.08.2022 | 19:05 Uhr

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