Polizei zieht Bilanz für neu konzipierte Beschwerdestelle
Vor gut einem Jahr ist die Beschwerdestelle der Polizei neu aufgestellt worden. Sie sollte ausgebaut und unabhängiger werden. NDR 90,3 liegt jetzt der erste Tätigkeitsbericht vor und der zeigt: Die Resonanz ist groß.
Um Beschwerden über Polizisten und Polizistinnen kümmert sich in Hamburg die Polizei mit einer eigenen Beschwerdestelle. 1.249 Beschwerden sind im ersten Jahr eingegangen, nachdem die Stelle neu organisiert wurde. Das sind deutlich mehr als in den Jahren zuvor: Im Vorjahreszeitraum März 2020 bis Februar 2021 gab es 1.043, ein Jahr davor waren es 650 Beschwerden.
In der Beschwerdestelle wurden zudem auch 14 interne Beschwerden, also von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern der Polizei selbst, registriert. Auch hier gab es eine deutliche Steigerung, denn in den Vorjahren waren das stets nur ein bis zwei Beschwerden. Das wird insgesamt als Erfolg gewertet. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) erklärte, dass mit der Neuaufstellung das Vertrauen in die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten insgesamt gestärkt würde. Anders als früher untersteht die Beschwerdestelle jetzt direkt dem Polizeipräsidenten und soll eben außerhalb der regulären Strukturen unabhängiger arbeiten. Dafür ist die Stelle außerdem neben Polizeikräften auch mit Sozialwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen besetzt.
Beschwerden laut Polizei oft unberechtigt
Mehr als 60 Prozent der aktuellen Beschwerden wertete die Stelle allerdings als unberechtigt. Trotzdem würden dann oft noch Gespräche mit den betroffenen Kräften geführt, um sie zu sensibilisieren, sagte der Leiter der Stelle Ulf Bettermann-Jennes zu NDR 90,3. Personen, die sich beschweren, sollen innerhalb von zwei Tagen eine Rückmeldung bekommen, so das Versprechen. Insgesamt hat die Beschwerdestelle nur knapp 8 Prozent der Beschwerden als berechtigt eingestuft und nochmal etwas mehr als 10 Prozent als teilberechtigt. Die Linke in der Bürgerschaft kritisierte, dass hier immer noch Polizei gegen Polizei ermitteln soll. Sie fordert schon lange und auch weiterhin eine komplett unabhängige Polizeibeschwerdestelle.
Jede fünfte Beschwerde wegen Verkehr
Die meisten Beschwerden, mehr als 45 Prozent, gab es zu Einsätzen: Da wurden etwa schlechte Kommunikation, lange Wartezeiten und mangelnde Objektivität beanstandet. Jede fünfte Beschwerde galt dem Verkehr. Häufig waren die angespannte Park- und Baustellensituation oder Blitzer Anlass für Kritik. Aber auch ganz andere Fälle: Ein anonymes Schreiben hat etwa angeprangert, dass ein Polizeibeamter bei Facebook rechte Inhalte veröffentlicht und geteilt habe - die teils auch von seinen Kolleginnen und Kollegen kommentiert wurden. Der Beamte hat als Konsequenz seinen Posten verloren und die ganze Abteilung wurde überprüft.
Beschwerden dienen als Fallbeispiele an der Polizeiakademie
In einer weiteren Beschwerde fühlte sich die Mutter eines Opfers nach einem antesemitischen Angriff im vergangenen Jahr von den Beamtinnen und Beamten ignoriert und schlecht behandelt. Da gab es dann klärende Gespräche mit allen Beteiligten – und die Ergebnisse daraus sollen künftig in der Polizeiakademie als Fallbeispiel dienen. Auch zu den Corona-Maßnahmen gab es anfangs viele Beschwerden - das spielte zuletzt aber keine große Rolle mehr.