Kommentar: Krieg in der Ukraine - Betroffenheit hilft nicht weiter
Russland greift die Ukraine an, Putin führt Krieg in Europa und empört damit uns alle. Doch wie weit sind wir tatsächlich bereit zu gehen, um ihn zu stoppen? Das fragt Jörn Straehler-Pohl in seinem Kommentar.
Die Solidarität ist groß, die Betroffenheit auch. Viele Menschen gehen weltweit auf die Straße und protestieren gegen den Angriffskrieg des russischen Präsidenten, auch in Hamburg. Viele Profil-Fotos auf den Internet-Plattformen zeigen sich in den Nationalfarben der Ukraine.
Diese Einigkeit, dieses Wir-Gefühl tut gut in diesen Krisen-Zeiten. Bis auf ein paar unbedeutende Stimmen an den politischen Rändern ist allen klar: Es gibt hier nichts zu relativieren, nichts zu verharmlosen, nichts zu beschönigen. Wladimir Putin ist ein diktatorischer Aggressor, der gestoppt werden muss.
Krieg hat auch Folgen für Hamburg
Welchen Preis die Sanktionen gegen ihn haben können, das hat Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher gleich nach dem Beginn des Angriffskrieges benannt: Es sind unter anderem mögliche wirtschaftliche Folgen, es sind mögliche Cyber-Angriffe auf die kritische Infrastruktur - also zum Beispiel die Energieversorgung. Und die Stadt muss sich darauf vorbereiten, wieder viele Flüchtlinge aufzunehmen.
Dieser Realitätssinn des Ersten Bürgermeisters und seines Senats ist gut, wir brauchen ihn jetzt. Denn unsere Einigkeit, unsere persönliche Betroffenheit über das skrupellose Vorgehen des russischen Präsidenten - sie werden vermutlich wieder eine Momentaufnahme bleiben. Solidarität verblasst leider schneller, als wir es wahrhaben wollen. Das hat zuletzt erst wieder die Corona-Pandemie gezeigt, als schon nach kurzer Zeit niemand mehr für die Pflegekräfte geklatscht hat.
Welchen Preis wollen wir zahlen?
Spätestens nach der ersten Empörungswelle werden wir uns fragen müssen: Welchen Preis wollen wir tatsächlich dafür zahlen, um Putin zu stoppen? Wie weit tragen wir Sanktionen tatsächlich mit - Sanktionen, die zu Gegenreaktionen Russlands führen werden? Überspitzt gefragt: Wollen wir im Zweifel tatsächlich im nächsten Winter in einer kalten Wohnung sitzen? Oder arrangieren wir uns dann doch lieber mit dem Aggressor?
Wir müssen uns diese Fragen jetzt schon stellen. Und wir müssen der Realität ins Auge sehen. Der Realität, dass es bei Putins Krieg gegen die Ukraine auch um einen Krieg gegen westliche Demokratien geht. Wer jetzt noch Transparente mit Friedenstauben hoch hält, der hat das nicht verstanden. Sie sind ein Zeichen politischer Naivität, die uns nicht mehr weiterbringt.
