Kommentar: Energiesanierung von Wohnhäusern ja - aber ohne Ideologie

Stand: 15.10.2022 08:40 Uhr

Hamburg steht vor einer Herkulesaufgabe. Bis 2045 soll das Wohnen klimaneutral sein, so das Ziel des Senats. Ob das geht - und wie - damit befasst sich eine Machbarkeitsstudie, die am Dienstag vorgelegt wurde. Sie besagt: Die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer und auch die Mieterinnen und Mieter müssen ihre Anstrengungen für den Klimaschutz verdoppeln. Das ist umstritten. Reinhard Postelt kommentiert.

Es hätte alles so überzeugend wirken können bei der Präsentation der dicken Klimastudie im Rathaus. Wäre da nicht die kleine Zahl auf Seite 14 gewesen. Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) hatte ellenlang erklärt, dass Hamburg bis 2045 alle Häuser so umbauen kann, dass deren Energieversorgung kein CO2 freisetzt. Eine gute Nachricht - gerade jetzt, wo die Heiz- und Stromkosten so explodieren. Welcher Sprengsatz sich auf Seite 14 versteckte, sprach die Senatorin nicht an. Doch da stand nun mal, was die bisherige Energiesanierung wirklich an Einsparung gebracht hat. 70.000 Hamburger Wohnungen hatten die Gutachter verglichen - bundesweit einmalig. Das Ergebnis: Die komplett gedämmten Wohnungen verbrauchen gerade mal 19 Prozent weniger Energie als die quasi nackten, ungedämmten Wohnblocks aus der Nachkriegszeit.

Energieeinsparungen gibt es nicht

Angesichts der Milliarden Euro, die allein in Hamburg schon in die energetische Sanierung geflossen sind, ist das eine Bankrotterklärung. Die versprochenen Energieeinsparungen von 50, 60 Prozent gibt es in Wahrheit nicht. Die Chefs der Wohnungsgesellschaften hatten das immer schon gesagt. Es will aber keiner hören. Auch diesmal hat nur NDR 90,3 das krasse Missverhältnis aufgegriffen. Dabei soll der klimaneutrale Umbau des Wohnraums in Hamburg mindestens 33 Milliarden Euro kosten. Und machen wir uns doch nichts vor: Es zahlen die Eigentümerinnen und Eigentümer und das meiste wird auf die Mieten umgelegt. Auch wenn die Senatorin einfach mal so sagt, es könne nicht angehen, wenn der Klimaplan zu Lasten der Mieterschaft gehe.

Umbaukosten lohnen sich nicht

Lohnen sich die Umbaukosten nicht, wenn dafür weniger Energie verbraucht wird? Nein, sagt das Gutachten. Und der Senat macht in den ersten vier Jahren gerade mal 210 Millionen Euro locker. Sollen wir nun die Energiesanierung lassen? Unsinn. Aber bitte mit Köpfchen und nicht mit grüner Ideologie. Also aufhören, statt 20 Zentimeter Styropor 30 Zentimeter auf die Fassaden zu kleben! Und aufhören mit dem Unsinn der reparaturanfälligen Belüftungsanlagen! Die Bewohnerinnen und Bewohner reißen dennoch die Fenster auf, wie die Einsparung von nur 19 Prozent zeigt. Wirkungsvoller ist es, die Heizungen und die Stromversorgung CO2-frei umzubauen, auch durch Fotovoltaik auf allen Dächern. Bei alten Häusern ergibt auch Wärmedämmung Sinn. Viele Menschen können jetzt schon ihre Warmmiete kaum noch zahlen. Dann noch kostspieligen Klimaschutz draufzusatteln, davon muss der Senat uns ehrlich überzeugen. Aber nicht die unangenehmen Wahrheiten wie die auf Seite 14 verschweigen.

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Häuser mit Wohnungen stehen in einem Neubaugebiet in Hamburg. © picture alliance/dpa Foto: Daniel Bockwoldt

Klimaschutz für Hamburgs Wohnungen kostet Milliarden

Das Senatsziel: Bis 2045 soll Wohnen klimaneutral sein. Ein Gutachten der Stadtentwicklungsbehörde zeigt die Kosten auf. (11.10.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Der Hamburg-Kommentar | 15.10.2022 | 08:40 Uhr

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