Geflüchtete zweiter Klasse? Vorwürfe gegen Hamburger Behörden
Schutzsuchende aus der Ukraine sollen schnell Jobs, Wohnungen, Sozialleistungen und Sprachkurse bekommen. Geflüchtete aus anderen Kriegsgebieten, die schon länger in Deutschland leben, fallen offenbar hinten runter - auch, weil die Behörden überlastet sind.
Mohammad und Shams erinnern sich noch gut daran, wie sie 2015 nach ihrer Flucht aus Afghanistan in Hamburg ankamen. Auch damals sei die Hilfsbereitschaft groß gewesen: Einen Platz zum Schlafen, Geld, Lebensmittel, und Kleidung hätten sie bekommen. "Und dafür bin ich natürlich auch sehr dankbar", sagt der 29-jährige Mohammad. "Aber man muss die Türen für uns auch offen lassen."
Insider stützen Vorwürfe
Das ist aber offenbar nicht immer der Fall: Betroffene sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer beklagen, dass sich die Lage für die Afghaninnen und Afghanen oder beispielsweise auch Menschen aus Syrien in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert habe. Das Amt für Migration in Hamburg würde derzeit ausschließlich Angelegenheiten bearbeiten, die Geflüchtete aus der Ukraine betreffen, lautet der Vorwurf. Mehrere Insider berichten dem NDR unabhängig voneinander, dass Mitarbeitende der Behörde dies ihnen gegenüber offen zugegeben hätten.
Für die Betroffen hat das erhebliche Folgen: Der 25-jährige Shams hat in den vergangenen Monaten vergeblich versucht, seine Ausweispapiere zu verlängern. Zwei Mal schickte er den entsprechenden Antrag ab und telefonierte hinterher - alles ohne Erfolg. Nach wie vor habe nun einen abgelaufenen Ausweis und deshalb Probleme mit seiner Arbeitsstelle. Auch Mohammad musste monatelang auf die Verlängerung seines Aufenthaltstitels warten. Ingrid Andresen-Dannhauer, die die beiden Afghanen ehrenamtlich unterstützt, konnte mit ihren Bemühungen ebenfalls nichts ausrichten. Sie berichtet auch von einer Familie, der wegen nicht aktualisierter Aufenthaltstitel die Leistungen vom Jobcenter gestrichen wurden.
"Das, was hier passiert, ist Behördenversagen"

Das seien alles keine Ausnahmen, sagt Axel Limberg, der ebenfalls Geflüchtete in Hamburg begleitet. Er berichtet von einem weiteren jungen Afghanen, den er betreut. Der habe vor einem Monat vor der Ausländerbehörde angestanden. Vorher hatte er einen Termin gemacht, drinnen lagen seine Ausweisdokumente zur Abholung bereit. Aber er sei vor der Tür abgewiesen worden, berichtet Limberg. Im Moment könnten nur Ukrainer registriert werden, hieß es zur Begründung.
Ohne gültige Papiere könnten viele Geflüchtete ihre Wohnung oder den Arbeitsplatz verlieren, befürchtet der Helfer. Andere würden sich nicht mehr vor die Tür trauen - aus Angst, Probleme mit der Polizei zu bekommen. Das sei einigen seiner Schützlinge schon passiert. Und das nur, weil ihnen die nötigen Dokumente nicht ausgestellt wurden. "Das, was hier passiert, ist Behördenversagen", sagt Limberg.
Behörde gesteht Probleme ein
Die zuständige Hamburger Innenbehörde lehnt ein Interview auf NDR Anfrage ab und verweist auf das Amt für Migration. Dort möchte die Pressestelle Fragen nur schriftlich beantworten, gesteht aber Probleme ein: "Aufgrund der hohen Anzahl von schutzsuchenden Personen aus der Ukraine kam es in einigen Bereichen der Abteilung für Ausländerangelegenheiten zu Einschränkungen bei der Bearbeitung der regulären Tätigkeiten", teilte ein Sprecher mit. Man gehe aber davon aus, dass sich die Ausländerabteilung in den nächsten Tagen "stufenweise wieder den regulären Aufgaben zuwenden" könne.
Darauf hoffen auch Shams und Mohammad. Denn für sie geht es um viel: Den Schritt in ein eigenständiges Leben in Deutschland haben sie schon geschafft. Mohammad hat einen Job als Technischer Zeichner bei der Stadt Hamburg. Shams arbeitet als Anlagenmechaniker bei einer Firma für Sanitär- und Klimatechnik. Damit das so bleibt, brauchen sie aktuelle Papiere. Sie empfinden Mitgefühl für die Menschen, die nun aus der Ukraine fliehen müssen - wünschen sich aber gleiche Rechte für alle.
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