Seelsorge für Muslime in Niedersachsen
Seelsorge, also Menschen in kritischen Lebenssituationen und in Glaubensfragen zu begleiten, gehört ganz selbstverständlich zum religiösen Alltag vieler Christen. Etwas anders sieht es bisher mit Islamischer Seelsorge aus. Zwar sind auch Muslime füreinander da, wenn jemand in Not ist oder Hilfe braucht, es gibt jedoch keine Institution, die Seelsorgerinnen und Seelsorger hauptamtlich beschäftigt. Doch seit einigen Jahren entstehen Projekte und Initiativen, die zeigen, wie islamische Seelsorge gelingen kann. Ein Beispiel in Niedersachsen ist die überkonfessionelle Sicherheitspartnerschaft Notfallseelsorge im Landkreis Osterode am Harz, eine bisher einmalige Initiative.
Recep Nazli steht Menschen in den schlimmsten Stunden ihres Lebens bei. Der 45 Jahre alte Auto-Mechaniker aus Herzberg mit türkischen Wurzeln ist einer der ersten ausgebildeten muslimischen Notfallbegleiter in Niedersachsen. Bei einem Kurs in Köln lernte er von christlichen Seelsorgern, wie man eine Todesnachricht überbringt, gut mit Rettungskräften und Polizei zusammenarbeitet und wie wichtig es ist, einfach da zu sein und zu trösten: "Wir sagen nicht einfach nur 'ihr Sohn ist verunglückt' und Tschüss. Wir bleiben da, unterhalten uns und beten, auch über einen längeren Zeitraum. Sterben gehört dazu." Häufig nimmt Recep Nazil auch den Imam, den Vorbeter, mit zu den Angehörigen. Die ganze Verwandtschaft ist in Trauer vereint: "Das Leid wird dann geteilt. Umso mehr Menschen zusammen sind, umso mehr sich den Schmerz teilen, desto weniger wird die Trauer."
Erste Hilfe für die Seele
Das Besondere: Recep Nazli und zwei weitere muslimische Notfallbegleiter gehören seit einigen Jahren mit zum Team der religionsübergreifenden Sicherheitspartnerschaft Notfallseelsorge im Landkreis Osterode am Harz. Einer der Initiatoren ist Pastor Horst Reinecke: "Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, Menschen zu haben, die anderen zur Seite stehen, die den gleichen kulturellen und vor allem auch religiösen Hintergrund haben. Das kann ich, als jemand, der hier aufgewachsen ist und Christ ist, nicht leisten. Das kann nur ein muslimischer Notfallseelsorger." Recep Nazli leistet nicht nur erste Hilfe für die Seele. Er sei jeden Tag Seelsorger, sagt der gläubige Muslim. Dazu gehört für ihn, "dass man den kranken Nachbarn, der ein Pflegefall ist, besucht. Oder im Krankenhaus zu den Menschen geht, die man kennt, Mut macht und Gesundheit wünscht."
- Teil 1: Erste Hilfe für die Seele
- Teil 2: Aufbruchsstimmung in der islamischen Seelsorge