Sendedatum: 01.08.2014 15:20 Uhr

Seelsorge für Muslime in Niedersachsen

von Ita Niehaus

Seelsorge, also Menschen in kritischen Lebenssituationen und in Glaubensfragen zu begleiten, gehört ganz selbstverständlich zum religiösen Alltag vieler Christen. Etwas anders sieht es bisher mit Islamischer Seelsorge aus. Zwar sind auch Muslime füreinander da, wenn jemand in Not ist oder Hilfe braucht, es gibt jedoch keine Institution, die Seelsorgerinnen und Seelsorger hauptamtlich beschäftigt. Doch seit einigen Jahren entstehen Projekte und Initiativen, die zeigen, wie islamische Seelsorge gelingen kann. Ein Beispiel in Niedersachsen ist die überkonfessionelle Sicherheitspartnerschaft Notfallseelsorge im Landkreis Osterode am Harz, eine bisher einmalige Initiative.

Jacke eines Notfallseelsorgers © dpa
Bei einem Kurs in Köln lernte Recep Nazli von christlichen Seelsorgern, wie man eine Todesnachricht überbringt und gut mit Rettungskräften und Polizei zusammenarbeitet.

Recep Nazli steht Menschen in den schlimmsten Stunden ihres Lebens bei. Der 45 Jahre alte Auto-Mechaniker aus Herzberg mit türkischen Wurzeln  ist einer der ersten ausgebildeten muslimischen Notfallbegleiter in Niedersachsen. Bei einem Kurs in Köln lernte er von christlichen Seelsorgern, wie man eine Todesnachricht überbringt, gut mit Rettungskräften und Polizei zusammenarbeitet und wie wichtig es ist, einfach da zu sein und zu trösten: "Wir sagen nicht einfach nur 'ihr Sohn ist verunglückt' und Tschüss. Wir bleiben da, unterhalten uns und beten, auch über einen längeren Zeitraum. Sterben gehört dazu." Häufig nimmt Recep Nazil auch den Imam, den Vorbeter, mit zu den Angehörigen. Die ganze Verwandtschaft ist in Trauer vereint: "Das Leid wird dann geteilt. Umso mehr Menschen zusammen sind, umso mehr sich den Schmerz teilen, desto weniger wird die Trauer."

Erste Hilfe für die Seele

Vier Notfallseelsorgern mit neuen Jacken, der für diesen Bereich zuständige Sachbearbeiter des Landkreises, die
mittlerweile im Ruhestand befindliche Superintendentin des Kirchenkreises, Polizeioberrat und Leiter Polizeikommissariat Osterode Hans-Werner Ingold und der Leitende Notfallseelsorger Pastor Horst Reinecke (v.l.n.r.). Dieses Treffen fand in der Moschee der DITIB-Gemeinde in Herzberg statt. © Hans-Werner Ingold
Notfallbegleiter Recep Nazli (obere Reihe, 3. von links, neben ihm Pastor Horst Reinecke) im Team der religionsübergreifenden Notfallseelsorge im Landkreis Osterode am Harz.

Das Besondere: Recep Nazli und zwei weitere muslimische Notfallbegleiter gehören seit einigen Jahren mit zum Team der religionsübergreifenden Sicherheitspartnerschaft Notfallseelsorge im Landkreis Osterode am Harz. Einer der Initiatoren ist Pastor Horst Reinecke: "Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, Menschen zu haben, die anderen zur Seite stehen, die den gleichen kulturellen und vor allem auch religiösen Hintergrund haben. Das kann ich, als jemand, der hier aufgewachsen ist und Christ ist, nicht leisten. Das kann nur ein muslimischer Notfallseelsorger." Recep Nazli leistet nicht nur erste Hilfe für die Seele. Er sei jeden Tag Seelsorger, sagt der gläubige Muslim. Dazu gehört für ihn, "dass man den kranken Nachbarn, der ein Pflegefall ist, besucht. Oder im Krankenhaus zu den Menschen geht, die man kennt, Mut macht und Gesundheit wünscht."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 01.08.2014 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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