Stand: 03.12.2015 15:56 Uhr

Die Musik der Dinge sichtbar machen

von Stefanie Groth
Gemälde des  Künstlers Abdulhamid Abdalla © Abdulhamid Abdalla
Persönlich Erlebtes prägen die Bilder von Abdulhamid Abdalla.

Noch im Studium stellt er in der bedeutenden Atassi-Galerie in Damaskus aus. Überzeugend waren nicht nur seine Werke, sondern auch sein hartnäckiges Auftreten gegenüber der Galeristin: "Sie hat mich gefragt, ob ich gerade meinen Abschluss irgendwo in Europa gemacht habe. Ich antwortete ihr: Nein. Ob ich denn dann gerade mein Diplom von der Kunstuniversität hätte. Ich sagte, nein, ich bin in der 2. Klasse an der Uni. Sie war sehr wütend und erklärte mir, dass ich genau wissen müsste, dass sie nur berühmte Künstler ausstelle. Ausnahmen gebe es nur für besondere Kunst. Da habe ich ihr ganz ruhig geantwortet, dass ich glaube, dass ich ein besonderer Künstler bin“, schildert er diese Szene und lacht. Es klappte.

Schnell folgten internationale Ausstellungen in den USA, den Niederlanden, England und auch Deutschland. Dort erreichte ihn 2003 ein Anruf seiner Eltern. Das Militär habe sich nach ihm erkundigt, wolle ihn zum Wehrdienst einziehen. Für Abdalla keine Option, sagt er: "Ich wollte keine Waffen in der Hand tragen oder kämpfen. Ich kann Pinsel tragen und Farben, aber keine Waffen.“ Also blieb Abdalla in Deutschland, lebt und arbeitet seit nunmehr zwölf Jahren in Hamburg. Zurück in der syrischen Heimat war er seitdem nie. Als Wehrdienstverweigerer hätte ihn dort nichts Gutes erwartet. Leicht gefallen sei ihm das nicht, aber seine Eltern hätten ihn immer wieder angefleht, nichts zu riskieren und nicht nach Syrien einzureisen.

Eine Frage der Integration

Seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor vier Jahren hat sich alles geändert. Nun plant er eine Reise nach Syrien, vielleicht im nächsten Sommer. Seine Sehnsucht wachse und wachse, sagt er, auch wenn es nicht ungefährlich sei. Zugleich holt ihn die Heimat nun in Deutschland auf schmerzliche Weise wieder ein. In den Nachrichten und vor der eigenen Haustür. "Es ist ein ambivalentes Gefühl. Ich freue mich über jeden Syrer, den ich hier treffe, der sich hier vor dem Krieg in Sicherheit bringen konnte. Aber es macht mich traurig, dass sie überhaupt fliehen mussten!“, erklärt Abdalla.

Seine Heimatregion, Al-Hasaka, ist in diesem Jahr immer wieder Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Kurden, Regierungstruppen und terroristischen IS-Milizen gewesen. "Es gibt viele Nächte da kann ich nicht schlafen. Ich denke an jeden kleinen Teil, jede Straße, an jeden Menschen, an den ich mich erinnere. Ich mache mir viele Gedanken: Was passiert mit meiner Familie, meinen Freunden? Früher hat Religion gar keine Rolle gespielt in Syrien. Wir haben nie gefragt: Was bist du? Christ, Muslim oder Jude. Egal. Wir haben zusammengelebt als Freunde", sagt er bedrückt.

Seine Eltern wollen nicht fliehen, weil sie zu alt sind. Aber einer seiner Neffen lebt seit kurzem in Hamburg. Die Terrorattentate von Paris haben beide zutiefst geschockt: "Man darf nicht vergessen, dass solche Terroristen keine normalen Menschen sind, die sind krank." Abdalla befürchtet dennoch, dass die jüngsten Ereignisse eine negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen erzeugen, obwohl der Drahtzieher der Attentate Belgier mit marokkanischen Wurzeln war. Für ihn ist das eine Frage der Integration: "Es gibt Ausländer, die sogar hier in Europa geboren wurden, aber sie sind nicht offen. Sie haben sich nie geöffnet. Wenn sich die Ausländer hier fremd fühlen, dann können sie sich auch nicht in diese Kultur und Traditionen integrieren. Was diese Leute brauchen, ist Bildung."

Die Sendung zum Nachhören
Mikrofon im NDR Kultur Sendestudio © NDR Online Foto: Mathias Heller
4 Min

Künstlerporträt Abdulhamid Abdalla

Abdulhamid Abdalla lebt und arbeitet seit Jahren in Norddeutschland. Für den in Syrien geborenen Künstler bedeutet Religion nicht Glaube, sondern Philosophie. 4 Min

Übersicht
Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

Freitagsforum

Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Beiträge von Gastautoren zu aktuellen Themen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 04.12.2015 | 15:20 Uhr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur Livestream

Der Morgen mit Philipp Schmid

09:00 - 10:00 Uhr
Live hörenTitelliste