Wie erleben muslimische Studierende den Semesterbeginn?
An den Universitäten beginnt in diesen Tagen für viele junge Menschen das Studium. Muslimische Studentinnen und Studenten sorgen sich, wie sich ihr Glaube und das Studentenleben vereinbaren lassen.
Asli und Jasmin haben sich an der Universität Osnabrück für den Studiengang Jura beworben und wurden angenommen. Beide sind Anfang 20 und kennen sich schon über den Muslimischen Jugendverein Osnabrücker Land. Zum Semesterbeginn steigt bei Asli die Spannung: "Ich bin sehr aufgeregt, was auf mich zukommen wird. Ich frage mich, ob man neue Leute kennen lernen wird, ob das einfach wird oder ob da schon Gruppierungen vorhanden sein werden."
Partys, Clubs und Kneipen bereiten Sorgen
Sorge bereitet ihnen gar nicht das Studieren, sondern das typische Studentenleben mit vielen Partys. Die beiden sehen sich in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite möchten sie gern ihre neuen Kommilitoninnen kennenlernen. Doch in Clubs und Kneipen fühlen sie sich fehl am Platz, sagt Jasmin:
"Ich bin ehrlich. Besonders mit Hijab könnte ich nicht einfach in einen Club gehen. Ich würde mich fragen, was ich da mache. Aber dort treffen sich die meisten Leute, befreunden sich, reden, haben Spaß. Wenn man schon zu drei, vier Veranstaltungen nicht hingehen kann, dann fragt man sich, ob die anderen wohl schon alle befreundet sind."
Jasmins Freundin Raghad studiert in Münster Erziehungswissenschaft und hat die Orientierungsphase an der Universität schon hinter sich. Raghad trägt kein Kopftuch. Dass sie Muslima ist, sieht man ihr also nicht sofort an. "Die Leute haben Verständnis dafür gehabt, dass ich bei der Stadtrallye nichts getrunken habe", berichtet Raghad und fügt hinzu: "Als ich gesagt habe, dass ich bei einem Trinkspiel nicht teilnehme, haben sie gesagt: 'Du brauchst nicht zu trinken, wir trinken für dich.' Trotzdem fühlt man sich unwohl, weil alle trinken und man das Gefühl hat, dass man ein Spaßverderber ist."
Studienbeginn mit Bingo-Spiel statt Kneipentour
In Osnabrück können Muslime ihren Glauben auch zum Studienfach machen. Die Universität bietet den Studiengang Islamische Theologie an. Die zentrale Begrüßung der Neuankömmlinge durch die Fachschaft beginnt mit einer Eröffnungsrezitation durch Tutor Ahmed Ahmed. Die Erstsemesterwoche hier ist ohne Kneipenbesuch geplant. Trotzdem sollen sich alle kennenlernen.
Dazu hat die Fachschaft ein besonderes Bingo-Spiel organisiert. Alle laufen durch den Raum und versuchen jemanden zu finden, der die gleiche Eigenschaft hat. Beyza hat als erstes einen Treffer. Nicht nur deshalb ist sie gerade sehr motiviert: "Ich möchte sehr gern die Religion an neue Generationen weitergeben. Das macht mir Freude. Aktuell ist meine Sorge nur ein bisschen Heimweh, ich komme ursprünglich aus Hannover. Ansonsten starte ich mit Vorfreude und habe aktuell keine Sorgen", erklärt die Studentin.
Selbst die Wohnungssuche hat bei Beyza relativ gut geklappt. Auch andere, die teilweise weit nach Osnabrück gereist sind, haben eine Wohnung oder ein Zimmer im Studentenwohnheim gefunden. "Ich muss sagen, die islamischen Gemeinden haben mir sehr geholfen. Aber im Internet hat sich leider niemand gemeldet", sagt eine Studierende. Eine andere berichtet: "Ich habe eine einzige Bewerbung abgeschickt für eine Wohnung und wurde direkt genommen. Ich kenne mich hier gar nicht aus, aber dass dieses Vertrauen zwischen mir und meinen Eltern da ist, dass die sagen, du bist bereit und kannst alleine leben, freut mich sehr."
"Ich habe mich sehr kurzfristig hier beworben und habe erst vor fünf Tagen eine Wohnung gefunden. Durch viele Kontakte und viel Herumfragen habe ich dann doch noch etwas im Studentenwohnheim bekommen", freut sich Yunes. Er ist der einzige Mann, der zur Erstsemesterbegrüßung der Islamischen Theologie gekommen ist. Das passt zu einem Trend. Inzwischen sind zwei Drittel der Studierenden am Institut Frauen.
Die Fachschaft, der Studienberater und Ehemalige ermuntern die Studierenden, nicht nur online zu studieren. Besser sei es, möglichst viel vor Ort sein, auch die Angebote der Uni und vieler Vereine zu nutzen und sich vielleicht auch für ein Stipendium zu bewerben. Für muslimische Studierende gibt es beispielsweise das Studienwerk Avicenna, das in Osnabrück seinen Sitz hat und Stipendien vergibt.